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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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preßte sich an die Wand. Wieder wurde geschellt. Jetzt mußte sie eine Weile warten, ehe sie die Wohnung verlassen konnte, sie durfte nicht gesehen werden. Sie hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun gehabt, es war ein Mißgeschick gewesen. Endlich hörte sie Schritte die Treppe hinuntergehen. Sie hörte, wie die Tür ins Schloß fiel, und schaute auf die Uhr. Es war Viertel vor neun. Dann warf sie einen letzten Blick auf Maja. Sie war nicht mehr besonders hübsch mit ihrem weit aufgerissenen Mund und den glotzenden Augen. »Das ist deine eigene Schuld«, flüsterte Eva. Dann wartete sie stocksteif noch genau fünf Minuten, kehrte der Leiche den Rücken zu und zählte die Sekunden. Öffnete dann endlich vorsichtig die Tür und schlich sich hinaus.
    Im Treppenhaus begegnete ihr niemand. Draußen war es dunkel und kalt, als sie aus der Haustür schlüpfte und nach links abbog. Nicht nach rechts, vorbei am Königlichen Wappen. Bei der Methodistenkirche bog sie noch einmal nach links ab, kam an der Essotankstelle vorbei, ging bei der Versicherung wieder links und wanderte dann bis zum Kreisverkehr am Fluß entlang. Ihre Zunge war taub und bitter, aber die Blutung hatte sich gelegt. Sie preßte ihre Tasche an sich. Sie ging in normaler Geschwindigkeit den Hang hinauf, hielt dabei den Kopf gesenkt und achtete darauf, daß sie niemanden anstarrte, sie durfte nicht zu schnell gehen, niemand durfte sehen, daß eine Frau durch die Straßen eilte, an diesem Abend, zu dieser Uhrzeit, und deshalb ging sie langsam. Nichts ist verdächtig an einer Frau, die durch die Stadt schlendert, dachte sie. Erst oben auf der Brücke lief sie los.
    Eine Stunde später stand sie in ihrem eigenen Wohnzimmer und preßte noch immer ihre Handtasche an sich. Sie war erschöpftvon der langen Wanderung, hatte es aber nicht gewagt, sich ein Taxi zu nehmen. Sie keuchte und hatte Seitenstiche, wollte sich setzen, mußte aber zuerst ihre Tasche verstecken, sie glaubte, die könne nicht wie sonst auf dem Tisch stehen, sie war doch mit Geld vollgestopft, sie mußte verschwinden. Jemand konnte kommen. Sie blickte sich nach einem Schrank oder einer Schublade um, verwarf diese Idee und ging in die Waschküche. Schaute in die Trommel der Waschmaschine, die war leer. Sie schob die Tasche hinein und machte die Klappe zu. Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer, wollte sich setzen, machte aber kehrt und holte sich den Rotwein aus der Küche. Die Flasche war geöffnet, Eva goß sich ein Wasserglas voll und ging wieder ins Wohnzimmer, starrte aus den Fenstern auf Dunkelheit und Stille. Trank zwei große Schlucke und beschloß dann, die Vorhänge vorzuziehen. Obwohl niemand draußen war. Sie machte vor allen Fenstern die Vorhänge dicht und wollte sich mit ihrem Glas hinsetzen, aber dann fiel ihr ein, daß ihre Zigaretten in der Handtasche in der Waschmaschine lagen. Sie ging in die Waschküche und nahm sie heraus. Ging wieder ins Wohnzimmer, hatte vergessen, daß sie auch Feuer brauchte, und ging wieder zurück. Ihr Puls wurde immer schneller, aber sie fand ihr Feuerzeug, wollte sich setzen, und dann fiel ihr der Aschenbecher ein. Sie stand noch einmal auf und merkte, wie ihre Finger zitterten. Ein Auto fuhr langsam durch die Straße, sie rannte ans Fenster und schaute durch einen Spalt im Vorhang hinaus, es war ein Taxi. Das sucht bestimmt nur ein Haus, dachte sie, ging wieder in die Küche, fand den Aschenbecher im Spülstein und zündete sich ihre Zigarette an. Das Telefon ist tot, dachte sie dann, sie dachte das voller Erleichterung, niemand konnte sie jetzt erreichen. Sie hatte die Tür abgeschlossen. Sie zog noch einmal an ihrer Zigarette und legte diese dann in den Aschenbecher. Wenn sie fast alle Lampen ausmachte, würde es aussehen, als sei sie gar nicht zu Hause. Sie ging durch das Haus und knipste der Reihe nach die Lampen aus. Es wurde immerdunkler, die Ecken waren ganz schwarz.
    Dann setzte sie sich endlich. Auf die Sesselkante, bereit, jederzeit wieder aufzuspringen. Sie hatte das unbehagliche Gefühl, etwas vergessen zu haben, und deshalb trank sie Rotwein und rauchte, und sie atmete schnell und hektisch, und nach einer Weile wurde ihr schwindlig. Sie versuchte, Gedanken zu Sätzen umzuformulieren, aber diese Sätze wurden niemals fertig, denn immer wieder kamen neue Gedanken, die gedacht werden wollten. Das verwirrte sie. Sie trank mehr Wein und rauchte weitere Zigaretten. Es war fast schon elf. Vielleicht war Maja schon gefunden worden, vielleicht

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