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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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hatte einer ihrer Freier die Türklinke heruntergedrückt und festgestellt, daß die Tür offen war. Wenn es ein Mann mit Frau und Kindern war, war er vielleicht davongestürzt, so wie Eva. Eine Nutte kann sterben, ohne daß irgendwer sich darum kümmert, dachte sie empört. Vielleicht muß sie lange dort liegen, ehe jemand etwas unternimmt, vielleicht viele Tage oder Wochen. Bis es im Treppenhaus nach Verwesung riecht und die Nachbarn sich wundern. Eva ging in die Küche und goß sich neuen Wein ein. Bald kommt Emma nach Hause, dachte sie, dann ist alles wieder so wie vorher. Sie leerte das Glas im Stehen vor dem Spülstein, dann ging sie ins Badezimmer. Es war besser, sich hinzulegen und die Zeit verstreichen zu lassen. Je schneller die Zeit verging, um so besser. Sie putzte sich die Zähne und schlüpfte unter die Decke. Vielleicht würde die Polizei sie ja doch finden, besser sie überlegte sich schon jetzt, was sie dann sagen wollte.
    Sie schloß die Augen und wollte schlafen, wurde aber von immer neuen Gedanken gestört. Hatte jemand sie gesehen, als sie den Block betreten hatte? Das glaubte sie nicht. Aber im Hannas, und im Kaufhauscafé. Sie konnte nicht abstreiten, daß sie Maja begegnet war, das wäre zu riskant. Den ersten Tag mußte sie so schildern, wie er verlaufen war, daß sie gegessen hatten und danach zu Maja gegangen waren. Das Bild, dachte sie dann plötzlich. Das lehnte an der Wohnzimmerwand. Aber sie konnte es ja am ersten Abend noch geholt haben. Und daß Maja als Nutte arbeitete, mußte sie zugeben, daß sie das gewußt hatte? Je mehr Wahres sie erzählte, um so besser wäre es vielleicht? Doch, sie hatte es gewußt, Maja hatte es ihr erzählt. Ganz freiwillig. Sie hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt. Sie schloß wieder die Augen und versuchte, alle Gedanken zu verdrängen. Das Taxi, dachte sie plötzlich, – das sie bestellt hatten. Und das sie mit dem in die Decke gewickelten Bild in die Tordenskioldsgate gebracht hatte, ob sie das wohl aufspüren könnten? Aber sie konnte ja einfach hingefahren sein, um das Bild abzuliefern, danach hatte sie kurz mit Maja geplaudert und war wieder gegangen, weil Maja einen Kunden erwartete. So war es gewesen, natürlich. Sie waren sich am Mittwochmittag begegnet und hatten miteinander Kaffee getrunken. Sie hatten sich seit fünfundzwanzig Jahren nicht gesehen. Danach waren sie Essen gegangen. Maja hatte bezahlt. Sie wollte ein Bild kaufen, und am nächsten Tag hatte sie ein Taxi geschickt, um das Bild abzuholen. Ob sie diesen Freier gesehen hatte? Hatte sie vielleicht einen Namen aufgeschnappt? Nein, nein, sie war gegangen, ehe er erwartet wurde. Sie wußte nichts über diesen Mann, wollte nichts wissen, sie fand das alles schrecklich. Grauenhaft, so war das. Ich weiß nicht, wie sie gestorben ist, dachte sie plötzlich, ich weiß nur, was in den Zeitungen gestanden hat. Ich muß Zeitung lesen. Ich muß hören, was im Radio gesagt wird. Ich darf keinen Fehler machen. Sie starrte und starrte nach oben und verflocht unter ihrer Bettdecke die Finger. Die ersten Nachrichten, wann wurden die gesendet? Um sechs? Sie schaute auf den Wecker, es ging auf Mitternacht zu. Die Zeiger spreizten sich hellgrün, so, wie Majas Beine auf der dunklen Bettdecke. Eva riß die Augen auf. Die bösen Träume standen in ihrem Hinterkopf Schlange. Sie stand auf und ging ins Badezimmer, zog ihren Bademantel an und setzte sich ins Wohnzimmer. Stand wieder auf und schaltete das Radio ein, dort wurde Musik gesendet. Sie dachte: Ich bleibe lieber wach.
    Solange ich wach bin, weiß ich, was passiert.
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    I m eigenen Bett ermordet.
    Eva sah die Schlagzeile im Zeitungsgestell vor Omars Laden, als sie noch im Auto saß. Innerhalb weniger Nachtstunden war der Fall in der ganzen Stadt, im ganzen Land bekannt. Sie rannte in den Laden und legte einen Zehner auf den Tresen, schlug im Wagen die Zeitung auf und las sie auf dem Lenkrad. Ihre Hände zitterten.
    Eine neununddreißig Jahre alte Frau wurde gestern am späten Abend in ihrem Bett tot aufgefunden. Die Frau war allem Anschein nach erwürgt worden, aber bisher gibt die Polizei aus Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen keine weiteren Einzelheiten bekannt. In der Wohnung deutete nichts auf einen Kampf hin, und es scheint auch nichts gestohlen worden zu sein. Die Frau, die bereits wegen ihre Tätigkeit als Prostituierte die Aufmerksamkeit der Polizei erregt hatte, wurde gegen zweiundzwanzig Uhr von einem Bekannten gefunden. Er hat

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