Evas Auge
unserem Blatt gegenüber bestätigt, daß er als Freier kam und zufällig entdeckte, daß die Tür unverschlossen war. Er fand die Frau tot im Bett vor und benachrichtigte sofort die Polizei. Es ist davon auszugehen, daß die Frau von einem Freier ermordet wurde, ein Motiv ist nicht bekannt. Mehr auf den Seiten 6 und 7.
Eva blätterte weiter. Auf den Seiten 6 und 7 stand nicht mehr viel, dafür gab es große Bilder. Ein Bild des Wohnblocks, Majas Fenster war mit einem Kreuz gekennzeichnet. Es schien ein altes Bild zu sein, die Bäume vor dem Haus waren stark belaubt. Das Bild des Mannes, der Maja gefunden hatte, war undeutlich, er war nur von hinten zu sehen, um nicht erkannt zu werden. Und dann gab es noch ein Bild eines Polizisten. Des Ermittlers. Ein angegrauter ernsthafter Mann in blauem Hemd. Hauptkommissar Konrad Sejer, dachte sie, was für ein Name! Alle, die sich am Donnerstagabend in der Nähe aufgehaltenhatten, wurden gebeten, sich bei der Polizei zu melden.
Eva faltete die Zeitung zusammen. Wenn die Polizei überhaupt herausfand, daß sie mit Maja zusammengewesen war, dann würde sie sehr bald auftauchen, vermutlich noch heute, auf jeden Fall aber vor dem Wochenende. Nach einer Woche würde Eva sich vielleicht sicher fühlen können. Aber als erstes würden sie rekonstruieren, was Maja an den letzten Tagen gemacht hatte, und mit wem sie zusammengewesen war. Eva ließ den Wagen wieder an und fuhr langsam zu ihrem Haus zurück. Sie ging hinein und beschloß, ein wenig zu arbeiten, zu putzen, aufzuräumen und sich noch einmal zu überlegen, was sie sagen sollte. In der Waschküche lagen große Haufen schmutziger Wäsche, sie stopfte alles in die Maschine, dann fiel ihr plötzlich ein, daß die Handtasche mit dem Geld noch in der Trommel lag, und sie zog sie heraus. Danach füllte sie die Maschine weiter mit Wäsche. Maja und ich waren Jugendfreundinnen, sagte sie zu sich, aber wir haben im Jahre neunundsechzig den Kontakt miteinander verloren. Weil wir umgezogen sind. Damals waren wir fünfzehn.
Sie kippte Waschpulver in die Maschine und drückte auf den Knopf.
Danach haben wir uns fünfundzwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen. Ich bin ihr beim Einkaufen begegnet, ich hatte im Farbengeschäft etwas umgetauscht – wir sind in ein Café im ersten Stock gegangen und haben Kaffee getrunken.
Sie ging in die Küche und ließ Wasser ins Spülbecken laufen.
Und dann haben wir über alte Zeiten geplaudert, wie Frauen das eben so machen. Ob ich gewußt habe, daß sie Prostituierte war? Ja, das hat sie mir sogar selbst erzählt. Sie hat sich auch nicht geschämt. Sie hat mich zum Essen eingeladen, wir waren im Hannas Kjøkken.
Eva ließ Spülmittel ins Becken spritzen und legte Gläser und Besteck ins heiße Wasser. In der Waschküche kam langsam die Waschmaschine in Gang.
Nach dem Essen war ich noch bei ihr zu Hause. Ja, richtig, wir haben ein Taxi genommen. Aber ich war nicht mehr lange bei ihr. Doch, sie hat von ihren Kunden erzählt, aber sie hat keine Namen oder sowas genannt. Das Bild?
Eva nahm ein Weinglas, hielt es ins Licht und fing mit Spülen an.
Ja, das ist mein Bild. Genauer gesagt, Maja hat es mir abgekauft. Für zehntausend Kronen. Aber nur, weil ich ihr leidtat, ich glaube nicht, daß es ihr gefallen hat. Aber sie hatte auch nicht besonders viel Ahnung von Kunst. Am nächsten Abend bin ich dann zu ihr gefahren, um es abzuliefern, mit einem Taxi. Habe eine Tasse Kaffee getrunken und bin dann ziemlich schnell wieder gegangen. Sie erwartete nämlich einen Kunden. Ob ich den gesehen habe? Nein, nein, ich habe niemanden gesehen, ich bin rechtzeitig gegangen, ich wollte nicht dabei sein.
Sie spülte das Glas unter dem Wasserhahn ab und griff zum nächsten. Schrecklich viele Rotweingläser hatten sich angesammelt. Die Waschmaschine fing an zu plätschern. Es ist eigentlich ganz einfach, überlegte sie, natürlich werde ich nie wegen dieses Mordes verdächtigt werden. Freundinnen bringen sich doch nicht gegenseitig um. Und deshalb gab es überhaupt keinen Grund, sie zu verdächtigen. Niemand konnte beweisen, daß sie etwas gesehen hatte.
Aber das Geld, das sie genommen hatte …
Sie holte Atem und versuchte, sich zu beruhigen. Plötzlich war sie empört darüber, daß sie Majas Geld genommen hatte, warum in aller Welt hatte sie das getan? Nur, weil sie es brauchte? Sie nahm ein weiteres Glas, als die Türklingel ging. Es wurde hart und energisch geschellt.
Nein! Das konnte doch nicht sein! Eva
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