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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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bekommen. Und ich finde, du solltest das Messer jetzt weglegen. Es gefällt mir nicht, daß du mit der Messerspitze auf mich zeigst.«
    »Und mir gefällt es nicht, daß ich im Bett Messer finde, wenn ich in ehrlicher Absicht komme. Auf euch Mädels ist wirklich kein Verlaß!«
    Er schien sich aufzuregen. Eva biß sich auf die Lippen und hatte fast aufgehört zu atmen. Maja versuchte, sich aufzusetzen, aber er stieß sie zurück.
    »Jetzt reg dich ab«, sagte sie laut. »Sei doch nicht so empfindlich!«
    »Ich bin nicht empfindlich«, knurrte er. »Ihr seid empfindlich, ihr denkt dauernd das Schlimmste von uns. Verdammt, Messer und überhaupt. Hast du auch was zum Schießen?«
    »Natürlich.«
    »Du leidest doch an Verfolgungswahn, das habe ich mir gleich gedacht.«
    »Du leidest hier an Verfolgungswahn. Ich hatte keinen Grund, dir mit dem Messer zu kommen. Anfangs wenigstens nicht. Jetzt reicht es. Mach, daß du wegkommst, sonst mußt du doppelt bezahlen.«
    »Ha! Ich gehe, wenn ich soweit bin«, antwortete er, zog seine Hose hoch und mühte sich mit dem Reißverschluß ab.
    »Du bist schon längst soweit, und es warten noch andere.«
    »Dann sollen sie eben warten. Ihr Nutten seid verdammt gierig, ich hab’ einen Häuptling für einen Job von fünf Minuten hingeblättert. Weißt du, wie lange ich in der Brauerei malochen muß, um einen Häuptling zu verdienen?«
    »Nein«, sagte Maja müde. Sie starrte jetzt die Decke an. Eva wartete und kaute auf drei Fingern herum.
    »Verdammte miese Kacke«, murmelte er und riß an seiner Gürtelschnalle. »Verdammtes Frauenzimmer!«
    »Also, jetzt reicht es! Du brauchst nicht mehr wiederzukommen. Von jetzt ab bist du hier nicht mehr willkommen. Und das hätte ich dir schon längst sagen sollen.«
    »Ach was!«
    Er hielt inne und nickte, als sei ihm plötzlich ein Licht aufgegangen. »So ist das also! Ihr nehmt uns mit offenen Armen in Empfang, und wir stülpen unsere Brieftasche für euch um, und in Wirklichkeit könnt ihr uns allesamt nicht ausstehen! So ist es doch, oder was? Verdammte Kacke, kein Mensch ist so zynisch wie ihr Nutten!«
    Mit gewaltiger Kraftanstrengung konnte Maja sich auf ihre Ellbogen stützen. Sie versuchte, die Beine anzuziehen, aber der Mann hielt sie weiterhin fest. Sie versetzte ihm mit dem Ellbogen einen Stoß und befreite sich aus der Umklammerung seiner Oberschenkel, griff dabei nach dem Messer, bekam es zu fassen und zerrte aus Leibeskräften daran. Plötzlich hielt sie es in der Hand. Sie kam mit erhobenem Messer auf die Knie. Die Messerspitze zitterte. Maja starrte jetzt den Mann an, er saß noch immer im Bett wie auf dem Sprung, sein kleiner Pferdeschwanz sträubte sich, wie die Erektion eines kleinen Jungen, dachte Eva, sie hatte jetzt die ganze Hand im Mund und biß heftig darauf herum, um nicht zu schreien. Wenn der Mann sich nach links umgedreht hätte, dann hätte er Evas Auge gesehen, einen leuchtenden kleinen Punkt im schwarzen Türspalt. Aber das tat er nicht, er schnappte sich ein Kissen und hielt es sich als Schutz vor den Unterleib. Er starrte Maja an, die zitternd mit dem Messer in der Hand vor ihm kniete. Ein Kissen und ein Messer. Alles war totenstill.
    Eva verbarg ihr Gesicht in den Händen. Sie mußte diese bedrohliche Szene verschwinden lassen, sie hatte eine Sterbensangst, der Mann könne auch sie entdecken, könne durchs Zimmer stürzen und die Tür aufreißen und dann in noch viel ärgeren Zorn geraten. Sie saß stocksteif auf ihrem Hocker, gab sich alle Mühe, ruhig zu atmen, hörte, daß Joe Cocker zu einem neuen Stück ansetzte, »When a woman cries«. Mitten in ihrer Verzweiflung empfand sie eine gewaltige Erleichterung. Nie, nie im Leben würde sie einen fremden Mann in dieses Zimmer holen und ihm erlauben, sich auszuziehen. Ihre Karriere würde nicht nur zu Ende sein, noch ehe sie begonnen hatte, sie würde auch Maja zum Aussteigen überreden. Maja ist doch eigentlich ein anständiger Mensch, dachte sie, kümmert sich um andere, und fast zwei Millionen müssen ja wohl reichen. Lieber soll sie sich mit einem kleinen Hotel begnügen. Eva schaute wieder durch den Türspalt, der Mann hatte endlich das Bett verlassen, er zog sich gerade die Jacke an. Sie sah seinen Hinterkopf, sah, daß er seinen Blick durchs Zimmer wandern ließ, wie, um sich zu vergewissern, daß er nichts vergessen hatte. Eva hielt den Atem an, als sein Blick die angelehnte Tür streifte. Er starrte einige Sekunden lang in ihre Richtung, dann drehte er

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