Eve & Adam (German Edition)
Situationen nie gebettelt, sondern eher geschmollt hat und (b) schon tot ist.
»Ich habe bessere Geräte und die besten Ärzte, die man für Geld kaufen kann.« Die Frau unterstreicht ihre Worte, indem sie dramatisch ausatmet – der berühmte Seufzer meiner Mutter.
»Ihre Tochter hat eine vierzehnstündige Operation hinter sich und ist immer noch in einem kritischen Zustand. Gut möglich, dass sie ihr Bein verliert. Und Sie wollen sie trotzdem verlegen? Weil … ja warum? Weil es bequemer ist? Weil die Laken bei Ihnen eine höhere Fadendichte haben?«
Ich fühle mich eigentlich ganz okay, ein bisschen wie in Trance, aber dieser Mann, anscheinend ein Arzt, macht einen Mordswirbel um mein Bein. Es gehorcht genauso wenig wie mein Arm.
Wahrscheinlich sollte ich den Mann beruhigen und ihm meine Mutter vom Hals schaffen – wenn sie so ist, sind Rückzug und Neuformation die beste Taktik –, aber mit dem Schlauch im Rachen geht das nicht.
»Ich kann die Patientin nicht entlassen«, erklärt der Arzt. »Unter gar keinen Umständen.«
Schweigen. Niemand kann so unangenehm schweigen wie meine Mutter.
Mit einem Mal fragt sie: »Wissen Sie etwa nicht, wie der neue Krankenhausanbau heißt?«
Noch mehr Schweigen. Die Apparate, an die ich angeschlossen bin, piepsen zufrieden.
»Spiker-Pavillon für Neurogenetik«, sagt der Arzt schließlich. Er klingt resigniert, aber vielleicht braucht er auch nur eine Kaffeepause.
»Die Ambulanz wartet draußen«, sagt meine Mutter. Schachmatt. »Die nötigen Papiere haben Sie bestimmt schnell ausgefüllt.«
»Wenn sie stirbt, dann ist das allein Ihre Schuld.«
Was er sagt, macht mir offenbar zu schaffen, denn meine Apparate gehen plötzlich los wie ein Autoalarm.
»Evening?« Meine Mutter eilt zu mir. Ohrringe von Tiffany, Parfüm von Bulgari, Kostüm von Chanel. Ihr legeres Freitagsoutfit. »Alles wird gut, Schatz. Ich habe alles im Griff.«
Das Zittern in ihrer Stimme verrät sie. Sie zittert sonst nie.
Ich will den Kopf nur einen Millimeter heben und merke, dass es mir vielleicht doch nicht so gut geht. Außerdem hört der Alarm gar nicht mehr auf.
Der Arzt murmelt etwas von meinem Bein oder dem, was davon übrig ist, und meine Mutter vergräbt den Kopf in meinem Kissen, wobei sie mir ihre lackierten Fingernägel in die Schulter bohrt. Kann sein, dass sie sogar weint.
Ich habe das Gefühl, wir verlieren alle die Kontrolle. Da spüre ich einen festen Druck an meiner anderen Schulter.
Von einer Hand.
Ich folge der Hand den Arm hinauf zum Hals und weiter zum Kopf. Diesmal bewege ich nur die Augen.
Die Hand gehört zu einem Typ.
»Dr. Spiker«, sagt er, »ich bringe Ihre Tochter jetzt zum Krankenwagen.«
Meine Mutter schnaubt in mein Hemd. Dann richtet sie sich auf, steht kerzengerade da. Sie hat die Lage wieder im Griff.
»Was hast du hier zu suchen, Solo?«, fragt sie barsch.
»Sie haben Handy und Aktentasche liegen lassen, als der Anruf wegen des Unfalls kam.« Er zeigt mit dem Kinn in meine Richtung. »Ich bin Ihnen in einem Wagen vonSpiker nachgefahren.«
Ich kenne weder den Typ noch seinen Namen – Solo, was ist das überhaupt für ein Name? –, aber er scheint für meine Mutter zu arbeiten.
Der Typ blickt auf mich herunter, vorbei an den Schläuchen und den piependen Geräten. Er sieht ungepflegt aus, mit zu vielen Haaren und zu wenig Rasur. Groß gewachsen, breitschultrig, muskulös, blond. Extrem blaue Augen. Meine erste Einschätzung: Skater oder Surfer. Oder so was in der Art.
Ich wäre ihm wirklich verbunden, wenn er die Hand wegnähme. Schließlich kennt er mich nicht und ich empfinde schon die Schläuche und Infusionen als Eingriff in meinen Intimbereich.
»Entspann dich, Eve«, sagt er, was mich ärgert.
Mir fällt spontan eine Antwort ein, die auf »piss dich« endet. Die Vorsilbe kann ich leider überhaupt nicht aussprechen, weil sie mit »v« anfängt.
Ich bin nicht in der Stimmung für neue Freunde.
Ich bin in der Stimmung für Schmerztabletten.
Außerdem sagt meine Mutter Evening zu mir und meine Freundinnen nennen mich E.V. Niemand nennt mich Eve. Das käme also auch noch dazu.
»Überlegen Sie es sich doch bitte noch einmal, Dr. Spiker …« Die Stimme des Arztes wird immer leiser.
»Na dann mal los«, sagt der Typ namens Solo. Er ist ungefähr so alt wie ich, elfte oder zwölfte Klasse. Wenn er für meine Mutter arbeitet, ist er entweder Praktikant oder Wunderkind. »Fahren Sie im Krankenwagen mit, Dr. Spiker?«
»Nein«,
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