Eve & Adam (German Edition)
jedenfalls bin ich dafür unpassend angezogen.
Unsere Blicke treffen sich für einen Moment, dann gibt er das Handy meiner Mutter und verlässt den Fanclub an meinem Bett.
7
EVE
Stunden später wache ich auf und kämpfe mich durch den Vicodin-Nebel. Es ist dunkel, aber mein Zimmer wird von einem weichen gelben Licht erleuchtet.
Mit zusammengekniffenen Augen könnte ich mir einbilden, in einem romantischen Restaurant zu sitzen. Bei einem echt schlimmen Date.
Als Erstes sehe ich Solo, der konzentriert auf ein iPad blickt. Die gibt’s hier anstatt der altmodischen Klemmbretter mit Krankenblatt.
Er runzelt die Stirn. Aber nicht wie jemand, der etwas verstehen will, was ihm schleierhaft ist, sondern wie jemand, der sich in einem Verdacht bestätigt sieht.
Kaum hört er, dass ich mich bewege, steckt er das iPad wieder in die Halterung am Fuß meines Bettes.
Solo lächelt mich an. Im Sinne von: Es ist nichts passiert, ich bin unschuldig.
Seltsamer Typ, denke ich. Weißt du nicht, dass nichts verdächtiger ist als ein unschuldiger Blick?
Bevor ich etwas sagen kann, schlüpft Solo aus dem Zimmer.
Kurz darauf tritt eine Schwester ein. Ich habe sie noch nicht gesehen und folgere daraus, dass sie zur Spätschicht gehört.
Ich schließe die Augen und stelle mich schlafend. Ich habe keine Lust auf ein Schwätzchen.
Sie überprüft den Verband an meinem Bein – ein Wahnsinnsteil. Vorsichtig schneidet sie Pflaster, Verbandsmull und elastische Binde weg.
Es tut nicht weh, fühlt sich aber auch nicht gut an.
»Oh mein Gott!«, entfährt es ihr.
Sie hat mein Bein freigelegt und wendet sich an Gott?
Ich öffne das Auge einen Spalt, weil ich wissen will, was sie Schreckliches gesehen hat.
Sie bemerkt es nicht, denn sie starrt auf mein Bein. Und sie wirkt auch nicht unbedingt entsetzt.
Eher erstaunt, erschüttert. Sie sieht etwas, mit dem sie überhaupt nicht gerechnet hat, und kann noch gar nicht glauben, dass es wahr ist.
Ich habe Angst hinzusehen, weil ich weiß, dass da etwas nicht stimmt.
Oder im Gegenteil.
8
SOLO
Der Spiker-Komplex hat ein sagenhaftes Fitnessstudio. Alle werden ständig aufgefordert, sich fit zu halten. Mich braucht man nicht aufzufordern und ich brauche auch keinen Coach. Ich habe am liebsten meine Ruhe.
Ich laufe auf der Innenbahn, und zwar barfuß, das ist mir lieber. Die Sohlen meiner Füße machen ein anderes Geräusch als diese Dreihundert-Dollar-Sportschuhe, die knarren, wenn das schockabsorbierende Gummi auf dem Boden auftrifft. Meine Füße erzeugen fast gar kein Geräusch.
Ich laufe, mache Sit-ups und stemme Gewichte – das volle Programm.
Ich mag Gewichte. Sie haben etwas Eindeutiges, da kann man nicht schummeln. Entweder man bekommt die Siebzig-Pfund-Hantel hoch bis zur Brust oder eben nicht. Ein klares Ja oder Nein.
Nach dem Gewichtheben gehe ich in den dunklen, streng riechenden Raum mit den Sandsäcken. Der Rest der großen Anlage mit ihren vielen Monitoren ist makellos sauber.
Hier ist der Boxraum. Dem Boxen haftet immer etwas Verruchtes an, auch wenn der Designer für die Seile des Rings ein sanftes Blaugrün gewählt hat.
Pete ist da und bereit loszulegen.
Manchmal boxe ich mit Pete einige Runden. Er ist älter als ich, vielleicht fünfundzwanzig. Ich habe ihn nie gefragt. Er ist ein Computerfreak, deshalb verstehen wir uns gut. Wir fachsimpeln miteinander oder würden es tun, wenn wir nicht einen vollgesabberten Mundschutz drinhätten und aufeinander einschlügen.
Pete ist nicht so schnell wie ich und sieht weicher und schwammiger aus. Aber wenn er dich trifft, spürst du es volle Kanne. Dann dreht sich alles und dein Gehirn versucht, die ganzen Verbindungen wiederherzustellen.
Ich liebe das.
Es ist total verrückt, dass es mir Spaß macht, geschlagen zu werden. Man kriegt eine Faust seitlich gegen den Kopf geballert, hat das Gefühl, überhaupt keinen Übungshelm zu tragen, es klingeln einem die Ohren, man ist total benebelt und kommt nur langsam wieder zu sich – für mich sind das mitunter die schönsten Momente des Lebens.
Schlag mich. Nein, ich meine, schlag richtig zu. Dass meine Knie zu Pudding werden.
Und wenn ich mich anschließend mit einer Kombination revanchiere? Der Wahnsinn …
Ich bin erledigt und schweißgebadet. Von den Haaren auf dem Kopf bis zu den Füßen nass, glänzend, keuchend, grinsend und unsicher, ob ich in der linken Gesichtshälfte je wieder etwas spüren werde.
»Waschlappen«, sagt Pete.
»Weichei«, gebe ich
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