Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
nasskalten Raum öffnete. Ich kletterte in den kleinen begehbaren Kleiderschrank hinauf und legte dann den dünnen Teppich zurück über die Öffnung, auf den ich anschließend noch einen leeren Karton stellte, den jemand in die Ecke geschoben hatte.
Die Erdgeschosswohnung war dunkel. Ich konnte eine rissige Couch ausmachen, die auf der Seite lag, und ein schimmliges, halb aufgegessenes Sandwich auf dem Küchentisch, das dalag, als hätte es dort jemand abgelegt, bevor er in aller Eile die Wohnung verlassen hatte und nie mehr zurückgekehrt war. Das Fenster, das zur Straße ging, war an einer Ecke gesprungen, sodass es schwer war hindurchzusehen.
Ich zog die fadenscheinigen Vorhänge ein, zwei Zentimeter beiseite, bis ein intaktes Stück der Scheibe zum Vorschein kam. Ein Soldat kam die Straße hinunter. Er nahm die Gebäude über den Lauf seines Gewehrs ins Visier. Als er sich in meine Richtung wandte, hielt er für einen Moment inne und ich erstarrte. Ich wagte es nicht, die Hand von dem dünnen Vorhang zu nehmen. Er war jünger als ich, hatte ein ausgemergeltes Gesicht und eingefallene Wangen. Einen Moment lang sah er aus zusammengekniffenen Augen zu mir herüber, bevor er sich schließlich abwandte.
Lange Zeit blieb ich so stehen, mit dem Finger den Vorhang vom Glas fernhaltend, und wartete, bis ich sicher war, dass er nicht mehr zurückkommen würde. Ich konnte die achtstündige Reise in meinen Bewegungen spüren, in dem dumpfen Schmerz in meinen Beinen, dem Pochen in meinem Kreuz. Ich brauchte eine Nacht, um mich auszuruhen und mich auf das vorzubereiten, was mir am Morgen bevorstand, aber es war zu gefährlich, in der Nähe des Tunneleingangs zu bleiben. Ich trat aus dem Apartment, während ich die Straße nach Anzeichen der Soldaten des Königs absuchte. Als die Luft rein war, ging ich Richtung Osten, wie mich der Rebell angewiesen hatte, und hielt die Augen nach dem erstbesten sicheren Platz offen, den ich finden konnte.
Einige Meter geradeaus stand ein alter Apartmentkomplex. Einige Räume waren in Brand gesetzt worden. Das Schild war abgefallen und auf dem Asphalt zerborsten. An seiner Stelle war nur eine dünne Schicht Buntglas zurückgeblieben. Aber das Gebäude lag immerhin etwas abseits der Straße und der Innenhof war leer. Nebendran befand sich ein Parkplatz, auf dem einige Autos wie tote Käfer mit der Unterseite nach oben herumlagen.
Ich begann, die Treppen zu erklimmen, angetrieben von einer Explosion, die knapp einen Kilometer östlich zu hören war. Nachdem ich mich durch das außen liegende Treppenhaus vorgearbeitet hatte, fand ich schließlich ein unverschlossenes Apartment, dessen Inneres nach Vorräten durchwühlt worden war. Ich schob die verbliebenen Möbel vor die Tür und hörte erst auf, als sie zu einem Stapel aufgeschichtet waren. Unter den Türknauf hatte ich einen Schreibtischstuhl gekeilt.
In meiner Tasche war noch eine Handvoll Trockenobst übrig. Trotz der angespannten Übelkeit, die sich in meinen Eingeweiden festgesetzt hatte, zwang ich mich, es zu essen. Ich lauschte auf die Geräusche aus den Außenbezirken. Hin und wieder drang ein Gewehrschuss durch die Nacht. Irgendwo schrie jemand. Ich legte meinen Kopf auf die schmuddelige Matratze auf dem Boden und rollte mich zusammen, um mich irgendwie aufzuwärmen.
Wenig später wurden die Geräusche draußen lauter. Ein Jeep holperte vorbei. Während die Nacht fortdauerte, dachte ich an meinen Vater, die Stille in seiner Suite und den Blick, den er mit dem Lieutenant gewechselt hatte, als sie Moss und mich befragt hatten. Schlafen war so gut wie unmöglich. Mein ganzer Körper war wach, lebendig, und meine Gedanken liefen mir voraus.
Der Morgen dämmerte für uns beide.
ACHTUNDZWANZIG
Die Soldatin war schon einige Stunden tot. Meine Hände zitterten, als ich der Leiche die Jacke auszog. Ihre Arme waren schwer und steif, sodass ich sie nur zentimeterweise aus den Ärmeln bekam. Ich versuchte, ihr nicht ins Gesicht zu sehen, aber das war unmöglich. Mein Blick kehrte immer wieder zu ihren weißen Wangen und ihren leicht geöffneten Lippen, die trocken und an einigen Stellen aufgesprungen waren, zurück.
Ich hatte sie einige Blocks vom Motel entfernt gefunden, wo sie zusammengesackt an einem ausgebrannten Geschäft gelehnt hatte. Blut war ihr aus dem Hinterkopf gelaufen und in ihrem Zopf geronnen. Es sah aus, als hätte sie jemand überrascht, als sie durch die Außenbezirke patrouilliert war – wahrscheinlich ein Rebell
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