Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
auf einem Rachefeldzug. Ich hielt inne, ihre kalte Hand in meiner, bevor ich ihr den anderen Ärmel auszog. Der Name Jackson war auf ihr Revers gestickt.
Ich schob die Pistole, die wir dem Mann im Motel abgenommen hatten, in den Bund meiner Hose und das Messer seitlich in meinen Gürtel. Bald war es vorbei. Ich schlüpfte in die Jacke und nahm ihr die Mütze ab, die sie zerknüllt in ihrer Hand gehalten hatte und auf deren Rückseite ein großer Blutfleck prangte. Bevor ich ging, betrachtete ich sie ein letztes Mal und bemerkte ein winziges Tattoo an der Innenseite ihres Handgelenks: Es war das Bild eines fliegenden Vogels. Sie konnte nicht viel älter als ich gewesen sein.
Ich lief zum Einkaufszentrum des Palasts, denn ich wusste, dass ich dort leichter an den Sicherheitskräften vorbeikommen würde. Zwei Soldaten lehnten an der Wand und unterhielten sich. Ein Bild von Arden, wie sie in jener Nacht in der Schule selbstbewusst an den Wachen vorbeigeschritten war und ihnen dabei mit einer Hand zugewunken hatte, als hätte sie ihr ganzes Leben außerhalb der Mauern verbracht, schoss mir durch den Kopf. Ich straffte die Schultern und sah ihnen kurz in die Augen, als ich salutierte. Dann trat ich durch die schwere Tür, wobei ich so tat, als würde ich meine Mütze geraderücken, um den Blutfleck auf der Rückseite zu verdecken.
Im Einkaufszentrum selbst war es still. Der Klang von Stiefeln auf Marmor hallte durch die langen Gänge. Einige Soldaten liefen auf die alten Spielhallen zu, aber sie wandten nicht einmal die Köpfe nach mir. Ich hatte mich für einen der Treppenaufgänge an der Nordseite entschieden, der sich am Ende eines schmalen Korridors befand und etwas abgeschiedener lag als die anderen.
Ich lief an den heruntergelassenen Gittern der geschlossenen Geschäfte vorbei, in deren Schaufenstern sich die Silhouetten der Schaufensterpuppen abzeichneten. Weit über mir prangte die riesige Uhr, deren Sekundenzeiger sich langsam auf die Zwölf zubewegte. Ich bog in den schmalen Korridor und fand den Soldaten vornübergebeugt vor, wie er gerade an einer abgewetzten Stelle an seinem Stiefel herumrieb. Ich sprach erst, als ich mich in Schlagdistanz befand. Eine Hand hatte ich vorsorglich an der Waffe.
»Ich komme, um dich abzulösen«, sagte ich. »Ein bisschen früh, aber das macht dir sicher nichts aus.«
Er stieß ein Lachen aus. »Nee, nicht im Geringsten.« Er packte sein Gewehr, das neben der Tür lehnte. Ich warf einen Blick den Gang hinunter, denn mir war klar, dass der andere Soldat in wenigen Minuten eintreffen würde. Als der Mann davonschlenderte und nach links ins Einkaufszentrum bog, huschte ich ins Treppenhaus und begann meinen langen Aufstieg. Schon bald fingen meine Beine schmerzhaft an zu brennen.
Die unteren Etagen waren unverschlossen und gaben den Blick auf die Reihen von kleinen Einzelzimmern frei, in denen viele der Palastbediensteten schliefen. Ich lief durch die Gänge, bog ins zwanzigste Stockwerk, wenig später ins fünfundzwanzigste, wobei ich immer wieder zwischen den Treppenaufgängen hin- und herwechselte, um auf keinen Fall gesehen zu werden.
Als ich den letzten Absatz erreichte, brannten meine Beine und kurze, stechende Schmerzimpulse jagten durch mein Kreuz. Ich versuchte, langsam und gleichmäßig zu atmen, damit das Zittern in meinen Händen aufhörte, während ich mich gleichzeitig bemühte, nicht an die Rundung meines Bauches zu denken, die sich nun unter der schweren Jacke verbarg. Immer wieder kehrten meine Gedanken an jenen Moment in der Suite zurück, als die Soldaten mich ergriffen und mein Vater sich abgewandt hatte, um den Hinrichtungen unten auf dem Vorplatz zuzusehen. Wer auch immer er für mich war, was auch immer wir gemein hatten, bedeutete ihm nichts mehr. Er empfand nichts mehr, nicht, wie es ein normaler Mensch tun müsste. Das durfte ich auf keinen Fall vergessen, wenn ich gegen ihn eine Chance haben wollte.
Ich linste durch das kleine Fenster in der Tür. Auf dem Flur vor der Suite war es still. Eine einsame Gestalt kam auf mich zu. Seine Schultern waren gekrümmt, weil er im Gehen ein Blatt Papier in Augenschein nahm. Er trug dieselbe rote Krawatte wie an dem Tag, als ich geflohen war. Bevor ich mich abwenden konnte, sah Charles auf und unsere Blicke trafen sich. Ich kauerte mich ins Treppenhaus und wartete, während ich mich fragte, ob er mich erkannt hatte.
Augenblicke später schwang die Tür auf und Charles steckte den Kopf hindurch. »Was machst du
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