Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
und ließ die Gebäude rundherum gespenstisch aufleuchten. Der bullige Soldat zog mich weiter und das Seil rieb schmerzhaft über meine Handgelenke. »Du gibst also zu, dass er dein Vater ist«, stellte er fest.
Die Frau schüttelte den Kopf. Ihr Haar war zu dünnen Dreadlocks gezwirbelt, deren Enden schmutzverkrustet waren.
»Ich habe zum Pfad gehört«, ergänzte ich. »Fragen Sie die Frauen in Califia – setzen Sie sich mit Maeve in Verbindung. Sie weiß alles.«
Wir liefen einfach immer weiter. Ihre Gesichter zeigten keinerlei Regung, als wir an Reihen von Stadtbewohnern vorbeigingen. Einige von ihnen standen dicht gedrängt vor den Apartmentkomplexen, wo sie von Rebellen verhört wurden. Auf dem Parkplatz eines leer stehenden Supermarktes stand eine ganze Reihe von Soldaten des Neuen Amerika mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Ihre Waffen türmten sich zu einem Haufen. Ich versuchte, die leise, anhaltende Angst zu unterdrücken, die von mir Besitz ergriffen hatte. Wie konnte es nur hier und auf diese Weise zu Ende gehen?
»Ich habe ihn getötet. Es war nicht nur versuchter Mord. Das werden Sie schon bald feststellen. Er ist tot.«
Sie antworteten nicht. Wir erreichten die Hauptstraße. Eine Gruppe von Rebellen stand vor dem Mirage, dessen Glasfront dunkel war. Sie lauschten einer Frau, die Befehle durch die Gegend schrie. Sie gestikulierte nach allen Seiten.
»Wir brauchen noch mehr im Süden der Stadt«, rief sie. Sie stand mit dem Rücken zu mir. Ihr kurzes schwarzes Haar war im Nacken verfilzt.
Ich hatte sie bereits erkannt, bevor sie sich umdrehte und mir das Profil zuwandte, das ich Hunderte Male zuvor gesehen hatte. Trotz des Seils, mit dem meine Hände gefesselt waren, trotz der Schüsse, die im Norden, nahe der Mauer, zu hören waren, lächelte ich.
»Du lebst«, rief ich. »Du bist die Anführerin der Rebellen?«
Arden drehte sich um. Ihr schwarzes Haar war etwas nachgewachsen und umrahmte ihr Gesicht nun in einem kurzen Bob. In ihren schlammbespritzten Kleidern mit dem roten Band, das fest um ihren Oberarm gebunden war, sah sie aus wie jeder andere Soldat auch. Über ihrer Schulter hing ein Gewehr. Sie hob eine Hand und die Soldaten um sie herum verstummten langsam, hielten inne und warteten darauf, dass sie mit ihrer Ansprache fortfuhr. Dann kam sie auf mich zu und schloss mich in ihre Arme.
Die ganze Last fiel von meinen Schultern. Ich schmiegte mich an sie, vergrub mein Gesicht an ihrem Hals und ließ zum ersten Mal seit Tagen meinen Tränen freien Lauf. Ich schluchzte so heftig, dass es mir den Hals zuschnürte. Lange blieb ich einfach nur so stehen, dicht an sie gedrückt, als wäre sie der letzte Mensch auf Erden.
ZWEIUNDDREISSIG
»Sie haben die ersten Zeichen der Transporter gesichtet«, sagte Arden. »In spätestens einer Stunde kommen die Mädchen aus den Schulen in die Stadt.« Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und setzte sich mit angezogenen Beinen auf mein Bett. Sie trug einen schwarzen Strickpullover und einen burgunderfarbenen Rock – das Haar hatte sie nach hinten gekämmt. Nach so vielen Monaten, die wir gemeinsam in der Wildnis verbracht hatten, nachdem ich sie wochenlang in steifen, schmutzverkrusteten Kleidern gesehen hatte, kam sie mir beinahe fremd vor. Sie bewegte sich mit solcher Leichtigkeit in der Stadt, selbst die Art, wie sie saß – die Beine zu einer Seite angewinkelt, während ihre Finger einen Muskel in ihrem Nacken massierten –, strahlte Selbstvertrauen aus.
»Ich komme mit dir, um sie zu begrüßen«, sagte ich. »Die Angestellten in den Adoptionszentren stehen auf Abruf. Sie haben die Vorräte in die unteren Etagen der Mandalay Apartments geschafft. Wenn alles gut läuft und sich die Dinge ein wenig stabilisiert haben, können die Mädchen vielleicht schon in ein paar Wochen in die Stadt hinausziehen.«
»Wenn alles gut läuft«, wiederholte Arden. Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, bevor sie wegsah. Sie musste mir nicht erklären, was sie meinte. Seit der Ankunft der Kolonien waren drei Wochen vergangen und die Stadt war immer noch im Übergang begriffen. Ich fragte mich, wie lange es wohl noch dauern mochte, wie lange die plötzlichen Angriffe auf der Hauptstraße weitergehen würden. Eine Gruppe der Soldaten des Neuen Amerika verabscheute die Rebellen dafür, dass sie die Kontrolle über die Armee übernommen und die Sicherheitsvorkehrungen entlang der Mauer gelockert hatten. Der Lieutenant war in den Stunden nach der Invasion
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