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Eve und der letzte Englaender

Eve und der letzte Englaender

Titel: Eve und der letzte Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zaza Morgen
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wendete meinen Blick zur Seite. Dom schaute mich immer noch an.
    „ Ich denke schon“, sagte er leise. „Weißt du, mein Vater ist vor einigen Jahren gestorben, ganz plötzlich. Er hatte noch unseren Auftritt gesehen –“
    Er stockte, und ich merkte ihm den Verlust spürbar an.
    „ Es ist, als ob die Welt plötzlich nur noch aus Schmerz besteht.“
    Unsere Blicke begegneten sich für einen kurzen Moment. In mir zog sich etwa zusammen, aber diesmal war es kein ungutes Gefühl.
     

     

    Dom
     

    Wenn mir jemand gestern um die gleiche Zeit gesagt hätte, dass ich heute mit einer völlig Fremden aus Deutschland hier bei meinem Lieblings-Araber in London sitzen würde – ich hätte ihn für verrückt erklärt. Moment, das habe ich ja sogar! In den untiefen meiner Erinnerung kramte ich Georges Worte bei unserem letzten gemeinsamen Trinkgelage hervor.
    „ Manchmal muss man sich auch auf jemanden einlassen können, den man nicht kennt, Dominic. Vertraue deiner Intuition.“
    Ich hatte ihm energisch widersprochen, was ich sonst nie tat, und er hatte mich nur mit diesem unsagbar allwissenden Lachen bedacht, das so viel hieß wie: „Wir werden ja sehen.“ George, dieses verdammte Orakel!
     

    Als Eve anrief, war ich fast nicht überrascht – im Grunde hatte ich den ganzen Tag darauf gewartet, wie mir schlagartig bewusst wurde. Vielleicht vertraute ich Georges Worten auch einfach schon zu sehr. Eve erwischte mich aber natürlich trotzdem im ungünstigsten aller Momente, als ich gerade meinen wohlverdienten Schlaf nachholte. Ich musste mich erst mal kurz besinnen, bevor ich kapierte, dass sie es tatsächlich war. Zum Glück hatte ich mir schon vorher eine Strategie zurechtgelegt, wie ich sie überreden konnte, hier zu bleiben. Wenigstens bis morgen. Es war nicht nur das Bedürfnis, die Person, die mich heute so dreist abgezogen hatte, als Entschädigung immerhin ein bisschen nerven zu können. Ich wollte auch wissen, was an Georges Gemunkel dran war. Normalerweise war ich Fremden gegenüber sehr skeptisch – nach außen hin war ich zwar easy und locker, aber im Grunde ließ ich niemanden wirklich näher an mich heran, den ich nicht schon mindestens zehn Jahre lang kannte. Besonders bei Frauen witterte ich immer ihre Celebrity-Geilheit und fühlte mich schnell benutzt, obwohl mir von Außenstehenden immer das Gegenteil unterstellt wurde. Na klar, ich ließ ja auch nichts anbrennen. Ein Teufelskreis.
     

    Ich schaute mich, bevor ich aus dem Haus eilte um Eve abzuholen, noch mal schnell in meinem Appartement um. Shit, es war wohl kaum zu übersehen, wer hier wohnte. An der Wand hingen zwei goldene Schallplatten für unser letztes Album, „Emotional Beefcake“, im Regal standen so ziemlich alle unsere Veröffentlichungen. Nachdem ich mich ja vorhin als Mega-Hasser zu verstehen gegeben hatte, wäre das dann doch ein wenig auffällig gewesen – und ich wollte Eve ja nicht mit dem Hammer beichten, wer ich war. Also kramte ich den ganzen Scheiß in Windeseile in meine Schränke.
     

    Jetzt saßen wir also beim Essen und sie erzählte mir, was sie so aus der Bahn geworfen hatte. Ich verstand sie nur zu gut und fühlte mich ihr plötzlich sehr nah. So nah, dass ich mich fast unfreiwillig verplappert hätte, was sie zum Glück nicht bemerkt zu haben schien. Ich beschloss, ihr so schnell wie möglich zu sagen, wer ich war, nur nicht jetzt, nicht hier.
     

    Ich spürte an der Art, wie sie auf diese Nähe reagierte, dass es da eine Grenze gab, die man bei Eve nicht so einfach überschreiten durfte. Sie hatte diesen imaginären Schutzwall um sich, den sie immer nur ganz kurz fallen ließ, nur um ihn dann umso höher wieder aufzurichten. Das machte sie nicht, um sich interessant zu machen. Sie wollte einfach nur nicht wieder verletzt werden. Darin waren wir uns gar nicht so unähnlich.
     

    „ Dom?“
    „ Ja?“
    „ Nichts.“
    Wir fuhren durch die hell beleuchteten Londoner Straßen in Richtung Kensington. Im Radio lief gerade „There Is A Light That Never Goes Out“, Morrissey sang „And if a doppel-decker bus/ crashes into us/ to die by your side/ is such a heavenly way to die“. Eve war genauso gedankenverloren wie ich, wir sangen beide ganze leise mit, was wir erst nach einer Weile bemerkten, als wir einen kurzen Blick wechselten und lächelten.
    „ Wohnst du eigentlich alleine?“
    „ Die meiste Zeit schon, wieso?“
    „ Nur so.“
    Wir schwiegen wieder. Nicht, weil wir uns nichts zu sagen gehabt hätten,

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