Eve und der letzte Englaender
Spielereien voll und ganz ausleben, was mir immer wieder Eves fiese Kommentare einbrachte. Doch das hier war wirklich der Wahnsinn. Das Licht wurde langsam etwas dämmrig und die Sonne glühte förmlich. Eve klebte an der Scheibe und bekam sich kaum noch ein. Dafür, dass ich sie fast notgedrungen hatte betäuben müssen, um sie in diese Gondel zu bekommen, war sie mir jetzt eine Spur zu enthusiastisch.
„Jetzt gefällt’s dir also doch“, stichelte ich.
„ Ich habe nie etwas anderes behauptet“, entgegnete sie, knuffte mich in die Seite und lachte.
Ich grinste und schnappte mir ihre Hand, um die nächste Boxattacke aus ihrer Richtung abzuwehren. Eves Arm drehte ich auf ihren Rücken, so dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Sie fuchtelte mit dem anderen Arm hilflos herum, aber ich hatte sie fest im Griff, dieses kleine freche Ding! Wie eng, wurde mir erst bewusst, als wir aufhörten wie die Bekloppten zu lachen, nachdem eine ältere Dame uns ein „Ihr habt wohl kein Zuhause“ zuzischte. Ich lockerte meinen Griff, hielt ihre Hand aber weiterhin fest, als die Gondel sich wieder in Bewegung setzte. Keiner von uns traute sich, den anderen anzublicken und wir fixierten beide einen Punkt am Horizont. „Siehst du das Wembley Stadium da hinten?“, fragte sie schließlich. Der riesige Bogen, der sich über das Stadion spannte, fing die letzten Lichtstrahlen ein und leuchtete zu uns herüber. Ich nickte. Verrückt, ich hatte genau das gleiche angestarrt wie sie.
Eve war schon eine Ewigkeit im Bad verschwunden, und ich wollte gerade eine Vermisstenanzeige aufgeben, als ich hörte, wie sie den Schlüssel im Schloss umdrehte. Ich tat so, als würde ich Zeitung lesen, schaute aber unauffällig auf die sich nun öffnende Tür. Ich hatte sie vorhin noch vor der Topshop-Filiale auf der Oxford Street rauslassen und im Auto auf sie warten müssen, bis sie sich ein Outfit für den Abend organisiert hatte. Jetzt war ich gespannt, was das Ergebnis von einer geschlagenen Stunde Shopping war, die mich ein Vermögen an Parkgebühren gekostet hatte. Ich hatte mir gedacht, dass sie sich schick machen würde, wie Frauen das eben gerne machen, aber Eves Anblick sorgte dafür, dass ich die Alibi-Zeitung unbewusst in alle ihre Einzelteile zerfledderte.
Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid, einen kleinen silbernen Schmetterling in ihrem Haar und zwei Sternchen an ihren Ohren – mehr war nicht nötig, um sie zum elegantesten Wesen werden zu lassen, das ich je gesehen hatte. Dass sie, wenn sie nicht gerade einen auf Fliegenpilz machte, sehr hübsch war, war mir auch vorher schon klar gewesen – schließlich hatte ich ja Augen im Kopf. Aber jetzt strahlte sie richtig. Und es war sicherlich nicht nur das Kleid, das das bewirkte, sondern auch noch etwas anderes, geheimnisvolles.
„ Na, nimmst du mich so mit?“, fragte sie in meine Richtung.
„ Aber gerade so“, verbarg ich die Gedanken, die ihr Anblick in mir lostraten.
Wir machten uns auf ins Londoner Nachtleben und ich vermied absichtlich die Bars und Clubs, in denen ich sonst immer feiern ging. Stattdessen entdeckte ich mit ihr lieber eine Gegend, in der ich nicht so häufig unterwegs war. Sonst wären wir sicherlich jemandem begegnet, den ich kannte, und das wollte ich nicht riskieren. Ich weiß nicht, warum ich es immer noch nicht geschafft hatte, ihr zu sagen, wer ich war, aber irgendetwas in mir wartete auf den richtigen Moment. Oder vielleicht auch nur darauf, dass George es für es für an der Zeit hielt. Wer weiß.
Schließlich landeten wir in einem kleinen, dunklen Laden mit Live-Musik. Die Bühne bestand nur aus einer kleinen Ecke, in der ein Schlagzeug, eine Gitarre und ein Bass darauf warteten, bedient zu werden. Ich holte Eve und mir was zu trinken und wir setzten uns an einen der freien Tische. Die Band fing an eine langsame Version von „Wonderwall“ zu spielen und die eindringliche, aber sanfte Stimme der Sängerin erfüllte den Raum.
„ Hast du gestern nicht was von einem Auftritt gesagt? Spielst du also auch in 'ner Band?“, fragte Eve mich ganz unvorbereitet.
Shit, jetzt war ich geliefert!
„ Ähm, jaaaa“ war dann auch das einzige, das ich rausbringen konnte.
„ Was macht ihr denn für Musik?“
Jetzt wollte sie auch noch genaueres wissen, verdammt! „So Rock, würde ich sagen.“
„ Aha. Und was bist du?“
Ich hätte mich jetzt natürlich zurücklehnen und ihr mit vor Stolz angeschwollener Brust sagen können,
Weitere Kostenlose Bücher