Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
steht ein Mann, gegen den Oskar mit seinen ein Meter dreiundneunzig ein unterernährter Zwerg ist. Der Typ kann eigentlich nur im Zirkus auftreten, als Eisenbieger oder so. Vesna steht auf und geht mit einem Lächeln auf ihn zu. „Ich hoffe, es war alles zur Zufriedenheit mit Reinigung?“
Was reinigt sie da?
Sie sieht mich auffordernd an. „Schade, dass du wolltest schon gehen. Ich rufe dich an, okay?“
„Ja, schade.“ Ich nicke dem Koloss zu, und da ich leider nicht höre, was da gereinigt werden musste, gehe ich tatsächlich. Soll ich überlegen, wie ich mich an Osthof ranmachen kann? Aber Vesna hat den Auftrag und sie verdient Geld damit. Ich sollte mir lieber Valentin vorknöpfen und herausfinden, was mit ihm los ist.
Valentin ist einigermaßen erstaunt, als ich ihn anrufe und auf einen Drink treffen möchte. „Ist irgendetwas mit Vesna?“, fragt er besorgt. Klingt nicht, als wollte er sie demnächst abservieren. Ich heuchle etwas von einer möglichen „Magazin“-Reportage über neue Fernsehshow-Formate und dass ich da ganz informell Informationen und Anregungen brauchte.
Eine halbe Stunde später treffen wir uns in der Bar des „Intercontinental“. Valentin hat dort ein Meeting, und für mich hat die Hotelbar den Vorteil, dass es unter dem Gebäude eine Tiefgarage gibt. Valentin sieht gut aus wie immer. Schlank und groß, Jeans, sportliches Sakko. Einst hat er Philosophie studiert, seit vielen Jahren aber erfindet er TV-Show-Formate und verkauft sie mit großem Erfolg auch ins Ausland. Seine Anteile an einem Privatfernsehsender hat er gerade rechtzeitig vor den Kurseinbrüchen verkauft. Ein Traummann. Oder was man gemeinhin für einen solchen hält. Ich lächle den Traummann an, er küsst mich auf beide Wangen und fragt, was ich trinken möchte. Eigentlich ist mir vom vielen Kaffee ein bisschen komisch. Der Barkeeper hat uns entdeckt. „Champagner, Herr Freytag? Hausmarke?“
Sieh an, man scheint ihn hier gut zu kennen. Ich erinnere mich nicht, dass Vesna jemals von Ausflügen an die Bar des „Intercontinental“ erzählt hätte. Valentin sieht mich fragend an. Der Barkeeper sieht mich fragend an. Ich nicke huldvoll. Champagner, Hausmarke. „Oh, it’s a long, long while …“ Warum kommt mir die Liedzeile in den Sinn? Céline hat sie gestern gesungen. Welten von hier bis zum desolaten Haus in Lissenberg.
Nichts sei geheimer als Fernsehshow-Formate, die noch nicht auf Sendung seien, erzählt Valentin. Ich nicke. Ist mir bewusst. Aber über Entwicklungstendenzen könne er mir natürlich erzählen, auch ganz offiziell fürs „Magazin“. Alles gehe in Richtung interaktive Shows, Formate, bei denen nicht nur Gäste und Studiopublikum, sondern auch Fernsehzuschauer einbezogen würden. Übers Internet, verstehe sich. Aber auch mit ganz alten, einfachen Methoden. „Schaffen Sie es, dass im ganzen Häuserblock alle für fünf Sekunden das Licht ausschalten? Sie haben zehn Minuten Zeit und können ein Treffen mit dem Superstar gewinnen, der mir hier gerade gegenübersitzt.“ Dinge in der Art. Ich lasse mich zu einem zweiten Glas Champagner überreden. Ist ja schon Happy-Hour-Zeit. Und es ist einfach angenehm, mit einem attraktiven, intelligenten Mann zu plaudern. Vesna hat es lange nicht glauben können, dass er sich in sie verliebt hatte. Noch dazu, wo sie ihn zu Beginn nur umgarnt hat, um an Informationen zu kommen. Jetzt sind sie beinahe drei Jahre zusammen. Und Vesna, die immer auf ihrer Unabhängigkeit bestanden hat, macht sich Sorgen.
„In zwei Wochen wird Vesna fünfzig“, versuche ich die Kurve zu kriegen.
Sein Gesicht scheint sich zu verschließen. „Ich habe momentan so viel um die Ohren … Wir werden es natürlich feiern, wobei Vesna ja nicht viel für großes Tamtam übrighat.“
„Warum glaubst du das?“ Soweit ich meine Freundin kenne, kann sie bisweilen ziemliche Freude an Tamtam entwickeln.
„Sie hat es immer wieder gesagt“, murmelt Valentin und nippt am Glas.
„Da hat sie von Cocktailpartys mit Leuten gesprochen, die ihren Verstand in der Bluse haben. Höchstenfalls.“
Valentin lacht. „Ich mag diese Partys ja auch nicht, aber bei mir gehören sie hin und wieder zum Geschäft. Und wenn Vesna nicht mit will, respektiere ich das.“
„Sie braucht eben ihre Eigenständigkeit“, erwidere ich und nehme noch einen Schluck. Ups, dieses Glas ist auch schon wieder leer. Fragt sich nur, wie viel sie davon braucht.
Valentin jedenfalls nickt. „Und ich bin ja auch
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