Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
mehr als zehn Jahre älter.“
„Daran liegt es sicher nicht“, beruhige ich ihn. Und so harmlos wie möglich: „Wie steht es eigentlich um eure Pläne, zusammenzuziehen?“
Valentin sieht auf die Uhr. „Ich muss zum Meeting, sorry. Das mit dem Zusammenziehen? Das ist so eine Sache … Vesna will es ja nicht.“
Da bin ich anders informiert. Zumindest wenn es um eine Probe geht. „Du bist ziemlich viel unterwegs in letzter Zeit“, sage ich, während Valentin zahlt.
„Hat sie sich beschwert? Hat sie etwas zu dir gesagt? Ich habe den Eindruck, sie ist momentan nicht sehr zufrieden mit mir.“
Ich lächle und schüttle den Kopf. „Nur ein Tipp: Lade sie ein zu einem feinen Abendessen zu zweit, macht euch einfach einen schönen Abend.“
„Das ist eine wunderbare Idee.“ Valentin küsst mich auf beide Wangen und ich merke, wie uns zwei jüngere Frauen interessiert beobachten. Mit Valentin kann man sich eben sehen lassen. „Und du und Oskar? Alles okay?“, fragt er dann noch.
Ich nicke. „Alles bestens!“ Auch mit Oskar kann ich mich sehen lassen. Ich sollte über all den Beziehungen, die mich beschäftigen, nicht auf die Pflege meiner eigenen vergessen. Immerhin war auch Oskar diesen Monat schon zweimal in Frankfurt. Na ja, er arbeitet an dieser Fusion, das weiß ich. Es ist halb sieben. Wir könnten essen gehen. Aber eigentlich bin ich zu müde dazu. Und man muss auch nicht immer so viel Geld ausgeben. Mira, seit wann denkst du ans Geld? Unsere Restaurantbesuche zahlt üblicherweise Oskar. Und um seine Finanzen braucht man sich keine Sorgen zu machen. Ein gutes Gefühl. Trotzdem. Ich will kochen. Irgendetwas, das schnell geht. Wenn es später wird, schickt mir Oskar meistens eine SMS. Ich sehe sicherheitshalber nach. Dieses Ersatztelefon nervt. Ich hab es noch nicht so eingestellt, wie ich es haben will. Ich möchte endlich mein Mobiltelefon zurück. Oder hat die Polizei tatsächlich Spuren darauf gefunden? Da, das muss das SMS-Verzeichnis sein. Heißt nur irgendwie anders. Keine SMS. Dann hab ich Zeit bis circa acht. Nicht dass bei Oskar das Essen schon auf dem Tisch stehen müsste. Aber wenn ich ihn überraschen möchte, wäre es doch nett.
Ich eile durch die Hotellobby ins Freie. Wo gibt es hier in der Gegend ein inspirierendes Lebensmittelgeschäft? Oder soll ich noch schnell zum Naschmarkt? Ich bleibe unschlüssig stehen. Auf der anderen Straßenseite beginnt der Stadtpark. Gelbe Rosen, jetzt, Mitte September, in voller Blüte. Es sind sogar solche, die duften. Und das über die Straße hinweg. Ich schnuppere. Wunderbar. Und ich habe eine Idee: Risotto con petali di rose. Ein Rezept, das ich vor Jahren von Armando, meinem Lieblingskoch im Veneto, bekommen habe. Es sollte mir nur gelingen, ein, zwei pralle Rosenblüten zu stehlen … Ich sehe mich um. Leute, die irgendwohin eilen, die froh sind weiterzukommen. Ein Stückchen entfernt eine Bushaltestelle, zwei Frauen tratschen, ein Mann sieht zu Boden. Ich gehe rasch über den Zebrastreifen. Die Hausdiener vom „Intercontinental“. Sie stehen zu zweit vor dem Portal und starren herüber, als ob sie wüssten, was ich vorhabe. Bitte, lass einen Wagen kommen, flehe ich. Vielleicht hat Frau Kruder ja doch recht und Gott gibt keinen auf. Jedenfalls werde ich erhört und ein dicker BMW gleitet in die Auffahrt des Hotels. Jetzt oder nie. Ich sehe mich rasch um, mein Herz klopft, ich stelle mich möglichst unauffällig vor einen Rosenstrauch, entdecke zwei Prachtblüten. Rupf und rein in meine große Handtasche. Jetzt die zweite. Rupf. Ich reiße, sie lässt sich nicht so leicht vom Stamm trennen, ich schaue gehetzt herum, reiße noch einmal, jetzt aber. Auch sie gehört mir und verschwindet in meiner Tasche. Schweiß rinnt mir über die Stirn. Die Beule ruft sich in Erinnerung. Sie pocht. Ich glaube, für eine Karriere als Diebin bin ich nicht geeignet. Auch wenn dieser Coup geglückt ist. Beschwingt eile ich in die Tiefgarage, staue durch den Abendverkehr und weiß schon, was die Vorspeise sein wird: Im Tiefkühler sind noch Anglerfilets. Sfornato vom Angler mit Birne und Provolone, diesem hervorragenden italienischen Hartkäse.
Zum Glück habe ich die Knochen der gefüllten Ente nicht weggeworfen, sondern daraus einen klaren Fond gemacht. Der steht noch im Kühlschrank. Ich wärme ihn, ergänze ihn mit etwas Süßwein und Wasser und richte alles, was ich vorbereiten kann, her. Den Risotto selbst bereite ich natürlich erst zu, wenn Oskar da ist.
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