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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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und ich ziehe mein Mobiltelefon heraus. SMS von Vesna. „Hat funktioniert. Treffen uns 20 nach 11 am Rand von Osthofgrundstück. LG V.“
    Wir sitzen im übergroßen Wohnzimmer von Exminister Osthof. Ob es sich verändert hat, seit Hubert ums Leben gekommen ist? Zeitlose Regale aus Eichenholz, zur Hälfte gefüllt mit Büchern, zur anderen Hälfte gefüllt mit kleinen Skulpturen, dekorativen Gegenständen aus aller Welt und DVDs. Ein Kristallleuchter, zu dem mir nur das Wort „repräsentativ“ einfällt. Schwerer, dunkler Teppich, der sicher einiges gekostet hat. Am großen Fenster zum Garten, nein zum Park hin Orchideen, einige davon blühen. Barocktischchen mit vier Barocksesselchen, sicher Originale. Übergroße Fauteuils aus Eiche mit üppiger grüner Seidenpolsterung. Ein ebensolches Sofa, auf dem bequem vier Leute Platz finden. Daneben, der einzige Stilbruch, ein Fernsehsessel aus schwarzem Leder, so ein Ungetüm, das auf Knopfdruck die Lehne neigt und einen zu massieren beginnt. Aber seltsamerweise kein Fernseher. Er könnte allerdings hinter den Schranktüren verborgen sein. Vesna und ich sitzen da wie Alice im Wunderland. Die Fauteuils sind so gewaltig, dass sogar ich mit meinen langen Beinen kaum den Boden berühre. Vesnas Beine baumeln hin und her.
    „Kein Ort, wo sich Kinder wohlfühlen“, sagt sie leise.
    „Kein Ort, wo sich irgendjemand, der lebt, wohlfühlt“, gebe ich zurück.
    „Zimmer ist größer als meine ganze Wohnung“, ergänzt meine Freundin.
    Osthof hat uns kühl begrüßt, ohne uns die Hand zu geben, er hat uns in sein Prachtzimmer geleitet und ist verschwunden, um „nach Erfrischungen zu sehen“.
    „Vielleicht holt er einen Killer“, scherze ich. Aber es klingt nicht so witzig, wie es sollte.
    Osthof kommt tatsächlich nicht alleine zurück. Allerdings ist es kein Killer, sondern die Haushälterin, die uns die Aufwartung macht. Im wahrsten Sinn des Wortes. Sie hält ein großes Tablett mit Teekanne, Kaffeekanne, Zucker, Milch, Tassen, Tellerchen, Servietten, Keksen, kleinen Brötchen. Wo sind wir hier? In einem Gesellschaftsstück? Würde mich gar nicht wundern, wenn die Haushälterin ein Spitzenschürzchen anhätte. Aber ihre Uniform besteht aus einem dezenten schwarzen, überknielangen Rock und weißer Bluse. Osthof selbst lädt die Dinge vom Tablett auf den großen Couchtisch mit der Marmorplatte. „Bedienen Sie sich.“
    Vesna schenkt sich ungerührt Tee ein. Wie schafft sie es nur, sich in jeder Umgebung zurechtzufinden? Hat es damit zu tun, dass sie es unter widrigsten Umständen lernen musste, als sie im Krieg mit zwei kleinen Kindern aus Bosnien geflohen war? Ich räuspere mich. Es klingt überlaut. Osthof hat Kaffee genommen. Vesna und er sehen mich an.
    „Wie Sie wissen, ist Evelyn Maier vor Kurzem gestorben“, beginne ich hölzern.
    Osthof stellt seine Tasse nieder. „Ich habe es nicht gewusst, bis ich Ihr … Briefchen erhalten habe. Ich hatte mit der Dame nichts zu tun.“
    „Sie war Freundin von Ihrem Sohn“, widerspricht Vesna. Sie ist ganz an die Kante des Polstersessels gerutscht, so schafft sie es, mit ihren Beinen den Boden zu berühren.
    „Das ist fünfundzwanzig Jahre her“, antwortet der Exminister mit emotionsloser Stimme. „Was wollen Sie von mir? Mich erpressen?“
    Ich sehe ihn wütend an. „Sie waren es, der damals Schweigegeld gezahlt hat. Damit keiner erzählt, dass der Unfalltod Ihres Sohnes eigentlich ein Selbstmord war.“
    „Das ist doch lächerlich. Ich habe diesem jungen Mechaniker nach dem tragischen Tod meines Sohnes versprochen zu helfen, und ich habe es auch getan.“
    „Damit er schweigt“, präzisiert Vesna.
    Osthofs Lippen sind nur noch ein Strich. Er wirkt sehr fit für seine beinahe achtzig Jahre. „Ich freue mich, dass er es durch das Startkapital zu etwas gebracht hat. Er ist inzwischen deutlich wohlhabender als ich. Ich kann ihm nicht vorschreiben zu schweigen.“
    „Aber Ihrem Sohn haben Sie damals befohlen, die Band zu verlassen, nicht wahr?“, murmle ich.
    „Hubert war weich, zu weich. Ich habe ihn immer wieder in psychologische Betreuung geschickt, aber das hat nichts genützt. Diese Band war das falsche Umfeld für ihn. Sie hat alles nur noch schlimmer gemacht.“
    „Er hat sich dort wohlgefühlt“, sagt Vesna und nimmt einen Schluck Tee. Eine Wanduhr schlägt von irgendwoher zwölf. Geläut wie von einer Turmuhr. Üppig schwer.
    „Was wissen Sie denn schon? Als ob es im Leben ums Wohlfühlen ginge“,

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