Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
Vom Netzwerk:
hinzu: Christian Osthof. Der immer schon Strebsame mit der passenden Frau. Vielleicht sollte ich auch mit ihr reden? Ob sie Christian damals schon gekannt hat?
    Dann nehme ich mein Aufnahmegerät und schreibe eine erste Fassung des Interviews mit Professor Osthof. Ist jemand wie er imstande, eine wehrlose Frau zu töten, nur weil sie seinem Image schaden könnte? Oder gar der Familienehre? Ich schüttle den Kopf. Seine Wirtschaftsanalysen und der einsame Tod von Evelyn Maier. Es scheint einfach nicht zusammenzupassen. Roger. Bei ihm kann ich mir viel eher vorstellen, dass er seine Mutter im Zorn gegen den Ofen stößt. Ich will es aber nicht. Ich glaube nicht, dass diejenigen, die weniger Chancen bekommen haben, häufiger gegen die wichtigste Regel unseres Zusammenlebens verstoßen: nicht zu töten.
    Was hat Evelyn mit „Gewinn“ gemeint? Hat sie Geld bekommen? Wo ist es geblieben? Ich weiß, dass mir die Lottogesellschaft keine Auskunft über die Gewinner geben darf. Aber vielleicht kann ich etwas anderes herausfinden: Ob ein hoher Gewinn vor circa drei, vier Wochen bisher nicht abgeholt worden ist.
    Ich rufe bewusst vom Telefonapparat der Redaktion aus an. Sie werden Privatpersonen noch weniger sagen als Journalistinnen, vermute ich einmal. Wenn am Samstagnachmittag überhaupt jemand da ist, der Auskunft geben kann.
    Es läutet fünf Mal. Keiner geht dran. Nicht einmal die übliche Telefonwarteschleife mit Musikfolter scheint eingeschaltet zu sein. Ich will schon auflegen, da meldet sich eine Stimme. „Thomas Oswald, Pressestelle, was kann ich für Sie tun?“
    Klingt eher nach Callcenter. Vielleicht sitzt er irgendwo in Indien und hält am Wochenende die Stellung. Unsinn. Wie ein Inder klingt er nicht gerade.
    Ich erkläre ihm, dass ich beim „Magazin“ arbeite und an einer Story dran bin, bei der es um unerwartete Gewinne geht. Ist mir gerade so eingefallen. Und ich habe Glück. Er kennt meinen Namen, bringt ihn in Verbindung mit meiner Reportage über die Hintergründe des Bombenalarms im Wiener Rathaus, der letztes Jahr Österreichs Gemüter bewegt hat. Schnee von vorgestern, aber in diesem Fall hilfreich. „Ich weiß, dass Sie keine Namen nennen dürfen“, flöte ich ins Telefon. Richtig seltsam, mit so einem Festnetzapparat zu telefonieren, ich hab ihn schon eine Ewigkeit nicht mehr verwendet. „Aber Sie könnten mir mit etwas anderem enorm helfen: Hat es vor rund drei, vier Wochen einen Großgewinn gegeben, der bisher nicht abgeholt wurde?“
    Stille am anderen Ende der Leitung. Hat er aufgelegt? Sehe ich bei diesem verdammten Telefon nicht. „Ich fürchte, das darf ich Ihnen auch nicht sagen“, kommt es zurück. „Ich mache bloß Journaldienst. Auskünfte an die Medien müssen mit der Chefin der Öffentlichkeitsabteilung abgesprochen werden.“
    „Vielleicht können Sie die ja erreichen? Ist nichts dabei, Sie verraten mir ja keinen Namen. Ich hätte nur gerne gewusst, ob ein Gewinn …“
    „Ich habe Sie schon verstanden“, murmelt der Pressestellenmitarbeiter. Und dann, interessierter: „Sie brauchen das für eine Wirtschaftsstory, oder? Schreiben Sie keine Kriminalstorys mehr?“
    Ich beruhige ihn, nein, keine Kriminalstory.
    „Schade“, kommt es zurück. „Wie Sie den Guru enttarnt haben und dabei selbst fast ums Leben …“
    So arg war’s zwar auch wieder nicht, dennoch schaudert mich bei dem Gedanken an die Autobahnbaustelle. Jedenfalls scheint meine Story auf ihn Eindruck gemacht zu haben. Ich habe eine Idee. Vielleicht muss ich die Sache anders angehen. Ich seufze theatralisch. „Na gut, ich gebe es zu. Es ist eine Kriminalstory, hinter der ich her bin. Ich darf aber natürlich noch nichts darüber erzählen.“
    „Natürlich“, erwidert Thomas Oswald eilig. „Meinen Sie, dass unser Telefon abgehört wird?“
    Oh du liebe Güte. Als ob so etwas andauernd passieren würde. – Dass die Verbindung von mir zur Pressestelle der Lottogesellschaft samt Uhrzeit eine Zeit lang gespeichert wird, muss ich ihm ja nicht erzählen. „Sicher nicht“, sage ich. „Unsere Telefone sind abhörsicher. Wir brauchen das in einer Redaktion.“
    „Na gut.“ Wieder Stille in der Leitung.
    „Ich hab es“, sagt er dann. „Da war ein Solosechser vor vier Wochen. Er hat etwas über siebenhunderttausend Euro gebracht. Und er wurde bisher nicht abgeholt. Aber so etwas kommt öfter vor, als man denkt. Da ist einer auf Urlaub. Oder er hat seinen Lottoschein einfach in irgendeiner Tasche und denkt

Weitere Kostenlose Bücher