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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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nicht wüsste, was gut für sie ist, dann muss eben er das entscheiden. Er werde ihr echte Musiker besorgen. Evelyn hat noch eine Zeit lang versucht, ihn einfach nicht ernst zu nehmen, sich weiter zu freuen, dann aber ist sie wütend geworden und hat ihm vorgeworfen, sich für uns zu genieren. Was ein starkes Stück war, denn das hat er wirklich nie getan. Er ist immer zu uns gestanden, obwohl er in einer ganz anderen Umgebung aufgewachsen ist. ‚Geh halt zu deinem Ministerpapa‘, hat sie gerufen und Hubert ist wirklich hinausgegangen. Der Proberaum, eigentlich war es eine Garage, hat dem Chauffeur von Huberts Vater gehört. Sie war gleich neben dem großen Grundstück der Osthofs. Evelyn hat gesagt: ‚Lassen wir ihn spinnen.‘ Sie hat das Band noch einmal gestartet. Ich wollte eigentlich zu ihm. Er ist sehr gern auf dem Hügel hinter der Garage gesessen und hat nachgedacht, vor allem wenn es ihm nicht so gut ging. Ich war mir sicher, dass er dort ist. Aber Evelyn wollte mich nicht gehen lassen. Wahrscheinlich würden wir viel besser zusammenpassen, hat sie gesagt. Ich habe ihr nicht geglaubt. Sie war wütend auf Hubert, weil er ihr den schönen Abend verdorben hat. Wir haben noch ein Glas Rotwein getrunken. Irgendwann bin ich dann doch raus. Und dann habe ich ihn auf dem Hügel hinter der Garage liegen sehen. Ich habe mir gedacht, er schaut in den Nachthimmel, das hat er öfter getan. Aber als ich näher gekommen bin, war mir klar, dass da etwas nicht stimmt. Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Er war tot.“
    Ich schaffe es nicht, noch einen Schluck zu nehmen. Ich traue mich kaum zu atmen.
    „Ich bin dann durch den Park zum Haus der Osthofs gerannt, habe sie herausgeläutet, habe geheult und erzählt, was passiert ist. Osthof hat mich angesehen. Unmöglich, ein Selbstmord in seiner Familie, das sei unmöglich. Das war seine erste Reaktion. Er und Christian, Huberts älterer Bruder, sind mit mir zur Garage gelaufen. Evelyn ist neben Hubert gekniet, seinen Kopf in ihrem Schoß, sie hat ihn ununterbrochen gestreichelt, sie hat nicht geweint. Und dann ist mir klar geworden, was Osthof damit gemeint hat, dass ein Selbstmord in seiner Familie unmöglich sei: Er hat verlangt, dass wir ihn vertuschen. Wir haben Hubert durch den Park der Villa getragen, da sind wir an dem großen Häcksler vorbeigekommen. Es war die Idee des Ministers. Er war wie außer sich. Er hat uns alles versprochen. Evelyn hat ihn bloß stumm angesehen. Dann ist sie davongerannt. Ich weiß nicht, warum ich geblieben bin. Ich hab es gemeinsam mit Christian Osthof getan. Wir haben seine Hände in die Maschine gesteckt. Sein Vater war es, der sie eingeschaltet hat. Dann bin ich davongegangen. Es war das letzte Mal, dass ich mich betrunken habe. Ich war überall und nirgends. Und als ich am nächsten Tag irgendwann in einem Hof zwischen Abfalleimern aufgewacht bin, war ich ganz sicher, dass ich alles nur geträumt hatte.“
    Ein vertuschter Selbstmord. Mit Hans Tobler ist es von da an bergauf gegangen. Mit Evelyn Maier bergab. Der Autohändler hat uns bis zur Tür gebracht, hat gesagt, er wolle noch ein wenig bleiben. Wir haben die ganze Autofahrt über geschwiegen. Vesnas Wagen hält in der Gasse, in der Oskars, in der unser beider Wohnung ist. Wir sehen einander an. Evelyn war am nächsten Tag verschwunden, hat Tobler gesagt. Es hat eine Zeit gedauert, bis er herausgefunden hat, dass sie mit einer internationalen Tanzband unterwegs war. Sie hatte dort schon früher hin und wieder ausgeholfen, wenn die Sängerin krank war. Hans Tobler hat sich von Minister Osthof helfen lassen. Man könnte auch sagen, der Minister hat ihm Schweigegeld gezahlt. Es war das Startkapital, damit konnte er Ersatzteile für amerikanische Autos kaufen. Zweimal ist Tobler Evelyn nachgereist. Sie hat sich geweigert, mit ihm zu reden. Dann hat er aufgegeben und sie nie wieder gesehen, ist davon ausgegangen, dass sie irgendwo im Ausland geblieben ist. Bis er sie per Zufall nach mehr als zwanzig Jahren im Supermarkt getroffen hat.
    Höchste Zeit, auszusteigen und nach oben zu gehen. Gut möglich, dass Oskar schon zurück ist. Kurz vor ihrem Tod hat Evelyn dem Gerichtsvollzieher gegenüber von einem künftigen „Gewinn“ gesprochen. Kann es sein, dass wir das ganz falsch interpretiert haben? Dass sie, ausgelöst durch ihre Begegnung mit Hans Tobler, spät, aber doch von Osthof das wollte, was Hans bekommen hatte? Schweigegeld? Um die Ausbildung ihrer Tochter zu sichern?

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