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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Schutz ist, jedenfalls bleibe ich dicht hinter Vesna. Sie ist jetzt schon im Raum, ich knapp davor. Der Eindringling muss im Schlafzimmer sein. Vesna dreht sich um und deutet mir, doch bitte schön wie ausgemacht stehen zu bleiben und den Eingang zu bewachen. Mira samt Mistgabel verharrt in der Tür. Vesna schleicht Richtung Schlafzimmer. So ein überschaubares Haus hat schon auch seine Vorteile. In Osthofs Villa könnte man nachmittagelang nach einem Einbrecher suchen.
    Ein Schrei. War es Vesna, die geschrien hat? Eine Frauenstimme, das jedenfalls. Nein, es war nicht Vesna. Das jetzt ist Vesna: „Was machen Sie hier? Was soll das?“
    „Ist das mein Haus oder ist das nicht mein Haus?“, kreischt jemand. Die Cousine.
    „Ich habe es gemietet. Ich habe gezahlt dafür. Was suchen Sie?“
    „Und warum haben Sie das Haus gemietet? Weil Sie unsere Familie bestehlen wollen!“
    Poltern. Doris Hampel scheint nicht besonders gefährlich, aber was weiß man? Ich renne ins Haus, bin mit drei Schritten in der Tür zum Schlafzimmer. Die Cousine hat den Kasten in die Mitte des Raumes gerückt, alles ist durchwühlt.
    Vesna hält sie mit einem ähnlichen Griff fest, wie es Toblers Bodyguards bei uns getan haben.
    „Und die ist auch da?“, schreit die Cousine. „Lassen Sie mich sofort los! Sonst hole ich die Polizei!“
    „Wonach suchen Sie?“, frage ich so ruhig wie möglich.
    „Wohl nach dem gleichen wie Sie.“
    Kann die Cousine von dem Lottoschein wissen? Ich bin mir sicher, als wir sie vor der Spedition abgepasst haben, ist das Wort nicht gefallen. Wir haben nur gefragt, ob Evelyn in letzter Zeit anders gewesen sei, vielleicht fröhlicher. Dass wir das Wort „Gewinn“ ausgesprochen haben, kann ich allerdings nicht ausschließen.
    „Sie gehen jetzt. Wir haben Haus gemietet“, wiederholt Vesna.
    Die Cousine schaut sie listig an. „Ach so? Das kann jeder behaupten. Wo ist denn Ihr Vertrag?“
    Ich sehe die Frau an. „Dr. Zuckerbrot, der Leiter der Mordkommission 1, ist ein Freund von mir. Ich werde ihn anrufen. Und ich kann mir gut vorstellen, dass er mit Ihnen nicht nur über unseriöse Hausvermietung reden möchte.“ Ich greife zu meinem Telefon.
    „Solltest du jedenfalls machen, Mira Valensky“, assistiert Vesna. „Außer wir erfahren jetzt sofort, was die Cousine nach Lissenberg getrieben hat.“ Sie lässt die Frau los.
    Doris Hampel schaut verstört von Vesna zu mir und wieder zurück. Ich habe Zuckerbrots Nummer schon auf dem Display. Ich zeige sie der Cousine.
    „Warum sollte ich nicht nachsehen, ob in meinem Haus ein Lottoschein liegt?“, sagt sie dann trotzig.
    Weil er nicht dir gehört. Aber laut sage ich: „Wie haben Sie von dem Lottoschein erfahren?“
    Sie lacht spöttisch auf. „Glaubt ihr, ich kann nicht zwei und zwei zusammenzählen? Ihr kommt und faselt etwas von einem ‚Gewinn‘ und wollt von mir wissen, ob Evelyn in letzter Zeit anders war. Was für ein ‚Gewinn‘ kann das sein? Na? An der Börse hat sie wohl nicht spekuliert. Im Casino war sie auch eher nicht. Und da Evelyn auf mich nicht gewirkt hat, als wäre sie schon zu Geld gekommen, habe ich eben nachgesehen. Ich kann euch übrigens Arbeit ersparen. Ich bin fertig. Nichts. Es ist so, wie ich immer gesagt habe: Die hat gesponnen.“ Doris Hampel stößt Vesna zur Seite und geht knapp an mir vorbei in die Küche, ins Freie, davon.
    „Lass sie“, sagt Vesna.
    Ich bemerke, dass ich noch immer die Mistgabel festhalte.
    „Mit siebenhunderttausend Euro man könnte unser ganzes Abbruchhaus kaufen. Und sanieren“, stöhnt Vesna. Sie liegt auf dem Boden und späht unter den Kunststoffbelag mit dem Parkettmuster. „Ich kann ja woanders hinziehen. Oder zu Valentin. Auch wenn das momentan nicht wahrscheinlich ist. Aber die anderen? Ich weiß nicht, wo sie Wohnung finden, die sie sich leisten können. Und trotzdem wollen sie sich nicht wehren.“
    Ich sehe inzwischen die drei Laden der Küchenkredenz durch. Ein paar Löffel und Gabeln. Alte Topfuntersetzer. Ein Küchenmesser, total stumpf. Einige Zeitungsausschnitte, in denen Céline erwähnt wird. Zwei davon stammen vom „Bezirksblatt Floridsdorf“. Es wird über das Siedlungsfest berichtet und über ein Mädchen, dessen Gesang alle begeistert hat. Auf einem kleinen, halb verblichenen Foto ist ein zwölfoder dreizehnjähriges Mädchen zu sehen, hoch aufgeschossen, entsetzlich dürr. Es trägt ein seltsames langes Kleid. Hinter ihr, kaum noch sichtbar, ein älterer Mann an einem

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