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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Reaktionär spielt, und ich liebäugle mit irgendeiner Weltrevolution. In Wirklichkeit ist er ganz schön aufgeschlossen und ich bin … ich bin wohl zu faul für eine Weltrevolution. Nein, ich glaube einfach nicht daran. Aber den Glauben an die Machbarkeit von Reformen, den will ich mir nicht nehmen lassen. Ich habe Droch von Evelyn und ihren so unterschiedlichen Kindern erzählt. Und von dem Häuschen mit Plumpsklo. „Ich bin mit einem Plumpsklo aufgewachsen – hat es mir geschadet?“, hat er gespottet. Was das angeht, liegt wohl wirklich eine Generation zwischen uns. Ich kann mir so etwas bestenfalls auf Berghütten vorstellen. Und ich weiß schon, warum ich das Meer lieber habe als die Berge.
    Am Nachmittag werde ich Zuckerbrot treffen. Er ist Chef der Mordkommission 1. War vor einigen Jahren sogar interimistischer Leiter der Wiener Polizei, aber auf Dauer wollte er eine solche Position nicht. Zu viele Sitzungen. Zu viel Politik. Zuckerbrot ist ein Uraltfreund von Droch. Sie haben zusammen studiert. Und sie treffen einander einmal die Woche zum Essen – ohne über Berufliches zu reden, wie beide regelmäßig betonen. Üblicherweise hat es Zuckerbrot nicht so gerne, wenn ich mich um Fälle kümmere, die sich mit seinen kreuzen. Aber heute am Telefon hatte er kein Problem damit. Was bedeutet, dass er den Tod von Evelyn Maier nicht als Kriminalfall betrachtet. Oder als völlig unwichtigen.
    Droch sieht mich forschend an: „Du murmelst etwas vor dich hin, du wirst schrullig, weißt du das?“
    Ich lächle so süß wie möglich. „Du würdest mir ohnehin nur widersprechen, also rede ich lieber zu mir selber.“ Oh, wie ich unsere harmlosen Schlachten zu gar nicht harmlosen Themen liebe!
    „Also: Was hast du gesagt?“
    „Seit wann bist du neugierig?“
    „Hellhörig. Das ist etwas anderes. Ich bin trotz meines hohen Alters hellhörig. Ich hab da was von ‚Kriminalfall‘ gehört.“
    „Dann hast du nur halb gehört. Ich hab gesagt: ‚Eine tote Sozialhilfeempfängerin ist keine Story. Und kein Kriminalfall.‘ “
    „Klingt so, als würdest du beides daraus machen wollen.“
    Ich sehe ihn an: „Nur wenn es doch einer ist.“
    Ich sitze in Zuckerbrots Büro. Er sieht immer weniger aus, wie man sich den Leiter einer Mordkommission vorstellt. Noch weniger wie ein Hofrat, das ist der Titel, den er eigentlich trägt. Doch seitdem uns die deutschen und amerikanischen Krimiserien überschwemmt haben, sind alle Polizeibeamten Kommissare oder Ober- oder Hauptkommissare oder so etwas. Zuckerbrot hat sich daran wie die meisten seiner Kollegen längst gewöhnt, hat er mir erzählt. Zuckerbrot ist ohnehin nur noch selten dort, wo ein Kriminalfall passiert ist. Er hat einzuteilen und zu verwalten. Auch die Polizei hat sich spezialisiert.
    Zuckerbrots neue Sekretärin heißt Grün. Und sie hat tatsächlich sein Büro begrünt. Es ist ein wahrer Pflanzenwald. Dort ein Ficus, da eine Zimmerpalme, beim Aktenschrank ein Philodendron, der an das Monster in meiner Büroecke heranreicht. Sein Freund Zuckerbrot schätze das gar nicht, aber gegen die umtriebige Rothaarige habe er keine Chance, hat Droch grinsend erzählt. Frau Grün war Chefsekretärin in einem großen Möbelhaus, das in Konkurs gegangen ist. Als Polizeivorzimmerdame überqualifiziert, aber ihre Leidenschaft für Krimis jeder Art hat sie hierhergetrieben. Zuckerbrot, der Grünpflanzen exakt gar nichts abgewinnen kann, bezeichnet sich laut Droch seither als „Krisenopfer“. Aber er tut es liebevoll. Ich finde seine Frau Grün großartig, ich hab mit ihr in ihrem Büro über Krimis und Philodendren geplaudert. Na ja. Vielleicht finde ich sie auch bloß so großartig, weil sie ein Fan meiner Reportagen ist. Sie scheint jeden Fall zu kennen, den ich für das „Magazin“ aufgeklärt habe. Aber ich fürchte, wenn es hart auf hart geht und ich wieder einmal etwas von Zuckerbrot brauche, was er mir nicht geben will, steht sie eisern zu ihm.
    Zuckerbrot lehnt im abgenutzten Fauteuil seiner Besprechungsecke und bemüht sich, den Kontakt mit dem riesigen Ficus Benjamini zu vermeiden. Ich sitze in einem anderen Fauteuil und führe Small Talk. Wir reden über seine Sekretärin und über Droch und seine unmögliche alte Strickjacke. Schön langsam scheine ich ihm unheimlich zu werden. Kann es sein, dass ich heute tatsächlich nichts von ihm will? Oder plane ich einen besonders heimtückischen Angriff auf seine polizeiliche Verschwiegenheit? Irgendjemand hat ihn einmal als

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