Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
wahrscheinlich dabei bewenden lassen sollte.
Er sieht mich an und reibt mit der Hand über die Vorderseite seines T-Shirts; seine Finger ziehen die Umrisse des Yin-Yang-Symbols nach. »Ever, ich weiß nicht recht, ob du das noch mal durchziehen solltest. Ich meine, falls du dich noch erinnerst, als du Roman das letzte Mal direkt gegenübergetreten bist, da hat das wirklich nicht gerade super hingehauen. Und ich glaube nicht, dass genug Zeit vergangen ist, dass du es noch mal versuchen solltest. Jedenfalls nicht so bald.«
Seine Worte gleiten über mich hinweg wie Öl, das auf Wasser trifft, und haben nicht die leiseste Wirkung. Was ihn seinem Gesichtsausdruck nach nur noch mehr beunruhigt. »Zur Kenntnis genommen«, antworte ich und schiebe mir das Haar hinters Ohr. »Aber die Sache ist die, ich tu’s trotzdem. Ich gehe hin. Ein letztes Mal. Sozusagen.«
»Wann? Jetzt? Ist das dein Ernst?« Mit zusammengezogenen Brauen sieht er mich unverwandt an; sei Blick krallt sich auf eine Art und Weise in den meinen, die mir Sorgen macht.
Ich straffe die Schultern, verschränke die Arme vor der
Brust und halte diesem Blick stand. »Wieso? Hast du vor, mir zu folgen, damit du mich daran hindern kannst?«
»Vielleicht.« Er kommt nicht einmal ins Stocken, als er hinzusetzt: »Ich tue alles, was nötig ist.«
»Was wozu genau nötig ist?« Ich lege den Kopf schief und fordere ihn mit den Augen heraus.
»Dafür zu sorgen, dass dir nichts passiert. Dich von ihm fernzuhalten.«
Ich hole tief Luft und sehe ihn an, und ich meine, ich sehe ihn wirklich an. Angefangen bei den Dreadlocks und dann abwärts bis zur Taille, von wo aus er wegen des Ladentischs für mich nicht mehr sichtbar ist. »Und warum willst du das tun?«, erkundige ich mich schließlich, und mein Blick hebt sich wieder, um dem seinen zu begegnen. »Wieso solltest du auf die Idee kommen, meinen Plan zu durchkreuzen? Ich dachte, du willst, dass ich glücklich bin - auch wenn das heißt, dass ich mit Damen zusammen bin? Oder wenigstens hast du mir das erzählt.«
Er rutscht unruhig auf seinem Stuhl herum, so unbehaglich, so verlegen, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich das gesagt habe. Ich bin zu weit gegangen. Nur weil wir uns in der Vergangenheit gegenseitig unser Herz gründlicher ausgeschüttet haben, als wir es wahrscheinlich hätten tun sollen, heißt das noch lange nicht, dass ich das Recht habe, ihm Fragen zu stellen oder das, was er zu mir gesagt hat, auszunutzen. Heißt noch lange nicht, dass ich auf einer Antwort bestehen sollte, wenn ihn die Frage offenkundig schmerzt. Aber trotzdem, irgendetwas daran, wie er sich gerade verschoben hat, nicht nur im körperlichen Sinne, sondern auch seine Energie, macht mich stutzig. Bringt mich ins Grübeln, ins Überlegen, macht mich ein ganz klein bisschen unsicher …
Ich drehe mich um und gehe zur Tür, und er folgt mir zu der Gasse auf der Rückseite des Geschäfts, wo wir beide unsere Autos geparkt haben.
»Ich treffe mich später mit Honor - magst du vorbeischauen? Du kannst Damen mitbringen, wenn du willst, das stört mich nicht.«
Ich bleibe stehen und sehe ihn an.
»Na ja, vielleicht stört es mich schon, aber ich werde’ne gute Show abziehen - Pfadfinderehrenwort.« Er hebt die rechte Hand.
»Dann ziehst du also mit Honor rum?«, erkundige ich mich und sehe zu, wie er die Fahrertür seines alten schwarzen Jeeps öffnet und einsteigt.
»Ja, du weißt doch, deine Schulfreundin, die auch auf deiner Geburtstagsparty war?«
Ich setze dazu an, ihm zu sagen, dass sie nicht meine Freundin ist, dass sie wahrscheinlich alles andere ist als das, nach dem zu urteilen, was ich neulich am Strand mitbekommen habe, die Energie, die sie ausgestrahlt hat. Doch als ich seine Miene sehe, die belustigten Falten auf seiner Stirn, beschließe ich, das für mich zu behalten.
»Sie ist gar nicht so übel, weißt du?« Er steckt den Schlüssel ins Zündschloss und lässt den Motor unter Husten und Stottern anspringen. »Vielleicht solltest du ihr ja mal’ne Chance geben.«
Ich sehe ihn an und muss daran denken, was ich ihm gleich am allerersten Tag gesagt habe, noch ehe ich ihn richtig kannte, lange bevor ich das von uns beiden wusste. Irgendetwas in der Art, dass er dazu neigt, sich in die falschen Mädchen zu verlieben, und ich frage mich, ob er sich wieder einmal verknallt hat. Doch als ich sehe, wie sein Blick davonirrt, wie seine Aura wabert und Funken sprüht,
da weiß ich, das falsche Mädchen bin
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