Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
tun trotzdem gut daran, meinen Rat zu befolgen.«
Damit werfe ich einen raschen Blick auf Sabine und sehe, wie ihre Aura in einem jähen Aufwallen des Zorns lodert, der nur von Mr. Muñoz’ Arm in Schach gehalten wird, der sich fest um ihre Taille legt. Er zwinkert mir verschwörerisch zu, dreht sie von mir weg und schiebt sie zur Tür hinaus. Ihre Freunde folgen ihnen.
Sobald sie weg sind, sieht Jude mich an und sagt: »Mann, das waren ja echt supermiese Vibes, was hier gerade abgegangen ist. Ich habe das Gefühl, ich sollte den Laden mal mit Salbei auswischen, damit das schneller verschwindet.« Er schüttelt den Kopf. »Was ist denn los? Ich dachte, du hättest es ihr inzwischen gesagt?«
Ich sehe ihn an. »Spinnst du? Du hast doch gesehen, was gerade passiert ist. Das ist genau die Art von Szene, die ich vermeiden wollte.«
Er zuckt die Achseln und zählt das Geld in der Kasse. »Na ja, vielleicht wär’s ja besser gelaufen, wenn es sie nicht so kalt erwischt hätte, als sie reingekommen ist und gesehen hat, dass du hier arbeitest - und dann auch noch die Zukunft weissagst.«
Ich runzele die Stirn und krame in meiner Brieftasche nach dem Geld für die Gratisdeutung, die ich gerade durchgeführt habe, ohne es zu wissen.
»Bist du sicher, dass du das bezahlen willst?«, fragt er und weigert sich, das Geld anzunehmen, als ich es ihm hinhalte.
»Bitte.« Ich strecke es ihm entgegen, sehe, wie sich seine Augenbraue hebt und weiß, dass er gleich ablehnen wird, als ich hinzufüge: »Und das Wechselgeld auch. Betrachte
es als Entschädigung für all die miesen Vibes , die ich verursacht habe. Im Ernst, wenn das nicht passiert wäre, wäre die vielleicht Stammkundin geworden, also betrachte es als Ausgleich für all die künftigen Einnahmeverluste.«
»Ich bin mir gar nicht so sicher, dass du sie vergrault hast«, bemerkt er, schiebt das Geld in den Bankbeutel und knallt die Kasse zu. »Wenn du ihr die Zukunft so gut geweissagt hast, wie ich glaube, dann kommt sie wieder, oder sie erzählt zumindest ein paar Freunden davon, die dann vorbeischauen werden, und sei’s nur aus reiner Neugier. So etwas zu widerstehen, fällt den meisten Leuten ziemlich schwer. Du weißt schon, aufrechte Anwältin nimmt betrügerische Nichte bei sich auf, die ohne ihr Wissen in ihrer Freizeit nebenbei als wahnsinnig akkurate Hellseherin jobbt. Könnte glatt ein Roman sein, oder wenigstens der Fernsehfilm der Woche.«
Ich zucke die Achseln und nehme mir einen Augenblick Zeit, das bisschen, was ich an Make-up trage, aufzufrischen. Eingehend betrachte ich mich in meinem kleinen Handspiegel und sage: »Übrigens, was das betrifft …«
Er sieht mich an.
»Ich glaube, meine Zeit als Avalon ist vorbei.«
Er seufzt, unverkennbar enttäuscht.
»Ich meine, versteh mich nicht falsch, es hat mir wirklich Spaß gemacht, und heute, na ja, jedenfalls bis zu diesem Fiasko, da hatte ich das Gefühl, ich werde allmählich richtig gut darin …, als könnte ich die Leute erreichen, ihnen helfen. Aber jetzt …, na ja, vielleicht wird es Zeit, Ava wieder an Bord zu holen. Außerdem fängt demnächst die Schule wieder an, und …«
»Willst du kündigen?« Er legt die Stirn in Falten; die Vorstellung gefällt ihm offensichtlich nicht.
»Nein.« Ich schüttele den Kopf. »Nein, ich will nur, na ja, ich muss das alles natürlich zurückfahren, und ich will dir nicht noch mehr Probleme machen, als ich’s schon getan habe.«
»Keine Sorge. Ich habe Ava bereits wieder eingestellt; ich dachte mir schon, dass du nicht mehr so viel arbeiten kannst. Aber, Ever, du kannst jederzeit wieder loslegen. Die Kunden stehen auf dich, und ich …, na ja …« Sein Gesicht läuft rot an. »Ich war auch sehr beeindruckt von dir. Als Mitarbeiterin.« Mit Daumen und Zeigefinger drückt er heftig seine Nasenwurzel, schüttelt den Kopf und setzt seufzend hinzu: »Mann, ich bin echt so unromantisch wie nur was.«
Doch ich zucke nur die Schultern und frage mich, wer sich wohl unbehaglicher fühlt, er oder ich.
»Also, hast du eine Ahnung, was du ihr morgen sagen willst?«, erkundigt er sich, verzweifelt bemüht, das Thema zu wechseln.
»Nö.« Ich lasse das Lipgloss in meine Handtasche fallen und klappe sie zu. »Keinen blassen Dunst.«
»Na ja, meinst du nicht, du solltest mal darüber nachdenken. Dir irgendeinen Plan zurechtlegen? Du willst dich doch nicht erwischen lassen, ehe du deine erste Tasse Kaffee intus hast, oder?«
»Ich trinke keinen
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