Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
»Ich heiße auch Avalon.« Ich weiche Sabines Blick aus. »Aber auch Ever - das kommt ganz darauf an.«
» Worauf kommt das an?«, quäkt meine Kundin, als wäre sie ganz persönlich zutiefst beleidigt und schlecht behandelt worden. Ihre Aura flammt und wabert plötzlich, als zweifele sie nicht nur an mir, sondern an allem, was ich ihr im Verlauf der letzten halben Stunde gesagt habe, ganz gleich wie zutreffend meine Vorhersagen waren. »Wer zum Teufel sind Sie?«, faucht sie mich an, als wäre sie im Begriff, mich zu melden, und zwar bei …, nun ja, sie hat sich noch nicht entschieden, aber bei irgendjemandem, irgendjemand bekommt eine Meldung, so viel ist sicher.
Doch Sabine ist wieder im Spiel; ihre Stimme ist ruhig, gefasst und ein kleines bisschen juristinnenhaft, als sie verkündet: »Ever ist meine Nichte. Und anscheinend muss sie eine ganze Menge erklären.«
Und gerade als ich genau das tun will …, na ja, nicht so richtig erklären, oder zumindest nicht so, wie sie es möchte, aber trotzdem, gerade, als ich etwas sagen will, das hoffentlich alle Anwesenden beruhigt, kommt Jude zu uns herüber und fragt: »Ging alles glatt bei deiner Weissagung?«
Ich werfe einen raschen Blick auf meine Kundin, Sabines Freundin, und weiß, dass das hier eine der besten Deutungen war, die ich je abgeliefert habe, nachdem meine Energie jetzt so viel besser geworden und durch all die reinigenden und heilenden Meditationen, die Ava mich hat machen lassen, dermaßen aufgeladen ist. Und doch habe ich das hier nicht vorhergesagt. Doch da ich sehe, wie sehr es ihr jetzt widerstrebt, dafür zu bezahlen, nachdem sie weiß, dass ich die minderjährige Nichte ihrer Freundin bin, die nebenbei heimlich als Avalon Die Zweifelhafte Hellseherin jobbt, gebe ich ihr gar keine Gelegenheit zu antworten, sondern sage sofort: »Äh, keine Sorge, das geht auf mich.« Jude blinzelt, sein Blick huscht zwischen uns hin und her, doch ich nicke entschlossen und setze hinzu: »Im Ernst. Kein Problem. Ich übernehme das.«
Während das zwar die Kundin zu beschwichtigen scheint, wenn auch nicht Jude, wirkt es bei Sabine nicht besonders, deren Aura in Aufruhr ist und die mich jetzt mit bedenklich schmalen Augen anstarrt. »Ever? Hast du mir nichts zu sagen?«
Ich atme tief durch und halte ihrem Blick stand. Ja, ich habe eine Menge zu sagen, aber nicht hier und nicht jetzt. Ich muss los!
Und als ich gerade etwas in dieser Richtung sagen will, nur netter, sanfter, sodass sie nicht noch wütender wird, springt Mr. Muñoz mir bei und meint: »Das könnt ihr beide bestimmt morgen Früh besprechen, aber jetzt sollten wir
uns wirklich auf den Weg machen. Wir wollen doch nicht, dass die unseren Tisch vergeben, nachdem es so schwer war, einen zu reservieren.«
Sabine seufzt und beugt sich dem Einwand, ist aber trotzdem nicht gewillt, mich so leicht davonkommen zu lassen. Die Worte kommen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Morgen Früh, Ever. Ich erwarte, dich gleich morgen Früh zu sprechen.« Und als sie meinen Gesichtsausdruck sieht, fügt sie hinzu: »Kein Aber.«
Ich nicke, obwohl ich nicht vorhabe, diesen Gesprächstermin einzuhalten. Wenn alles so läuft, wie ich es plane, bin ich morgen Früh so weit von jenem Küchentisch weg, wie es nur geht. Stattdessen werde ich mich in einer Suite im Montagne aalen, Damen neben mir, und wir beide werden endlich unsere vor so langer Zeit gemachten Pläne wahrmachen …
Doch das werde ich ihr nicht auf die Nase binden, also nicke ich stattdessen nur und sage: »Äh, okay.« Mir ist sehr klar, dass sie als Anwältin immer auf einer verbalen Antwort besteht, so kann die Bedeutung nicht verdreht oder fehlgedeutet werden. Und gerade als ich denke, dass das Schlimmste vorbei ist, oder zumindest fürs Erste, besteht sie darauf, dass ich mich bei ihrer Freundin entschuldige, als hätte ich irgendein Verbrechen gegen sie begangen. Und obwohl mir klar ist, dass ich später dafür bezahlen werde, das geht gar nicht.
Stattdessen sehe ich die Frau nur an und sage: »Nichts von all dem hier ändert irgendetwas an dem, was ich Ihnen dort drinnen gesagt habe.« Damit deute ich auf die Tür des Hinterzimmers. »Ihre Vergangenheit, Tommy, Ihre Zukunft - Sie wissen, dass das, was ich Ihnen gesagt habe, stimmt. Ach ja, und diese Entscheidung, die demnächst bei
Ihnen ansteht?« Mein Blick wandert zwischen ihr und ihrem Begleiter hin und her. »Also, so sehr Sie jetzt auch im Augenblick an mir zweifeln mögen, Sie
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