Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
Blick auf seine unbestreitbar prachtvolle Person zu werfen. »Ich bin ganz obenauf. Bin ich jetzt schon seit Jahrhunderten.«
»Und genau das ist es ja.« Ich beuge mich zu ihm vor. »Du siehst das alles als ein großes Spiel - als wäre das Leben ein Schachbrett und du müsstest den anderen immer drei Züge voraus sein. Du lässt nie nach in deiner Wachsamkeit, erlaubst dir niemals, jemand anderem nahezukommen - und du hast keine Ahnung, wie man liebt oder geliebt wird, weil dir das nie zuteilgeworden ist. Ich meine, sicher, du hättest andere Entscheidungen treffen können, und zweifellos hättest du das auch tun sollen, aber es ist trotzdem ziemlich schwer, etwas zu bieten, was man selbst nie gehabt hat, was man selbst nie am eigenen Leibe erfahren hat, und dafür vergebe ich dir.«
»Was ist denn das hier?« Wütend funkelt er mich an. »Amateurtherapie? Stellst du mir nachher eine Rechnung für dein lächerliches Psychogeschwafel?«
»Nein.« Meine Stimme ist leise, mein Blick hält den seinen fest. »Ich versuche nur, dir zu sagen, dass es vorbei ist. Ich weigere mich, weiter gegen dich zu kämpfen. Stattdessen beschließe ich, dich zu lieben und dich zu akzeptieren. Ob es dir nun passt oder nicht.«
»Zeig’s mir«, erwidert er und klopft abermals aufs Bett. »Warum kriechst du nicht hier rüber und zeigst mir diese Liebe, Ever?«
»Es ist nicht diese Art von Liebe. Es ist die echte. Die bedingungslose. Die, die nicht urteilt. Nicht die körperliche Art. Ich liebe dich als eine Seele, die mit mir diese Erde bewohnt. Ich liebe dich als jemanden, der unsterblich ist wie ich. Ich liebe dich, weil ich es satthabe, dich zu hassen, und einfach nicht länger bereit bin, das zu tun. Ich liebe dich, weil ich endlich verstehe, was dich so gemacht hat. Und wenn ich das ändern könnte, würde ich es tun. Aber das kann ich nicht, also entscheide ich mich stattdessen dafür, dich zu lieben. Und meine Hoffnung ist, dass es dich dazu bringen wird, ebenfalls etwas Gutes zu tun, wenn ich dich akzeptiere, aber wenn nicht …« Ich zucke die Achseln. »Dann kann ich wenigstens sagen, ich hab’s versucht.«
»Verdammt noch mal«, brummt er und verdreht die Augen, als ob meine Worte nichts anderes bewirken als ihn zu schmerzen. »Da hat sich aber jemand die Hippie-Dröhnung verpasst!« Er schüttelt den Kopf und lacht, macht es sich auf dem Bett bequem und sieht mich an. »Okay, Ever, du liebst mich und du verzeihst mir. Bravo. Gut gemacht. Aber hier das Neueste vom Tage - das Gegengift kriegst du trotzdem nicht, okay? Liebst du mich immer noch? Oder hasst du mich wieder? How deep is your love , Ever - um einen Song aus den Siebzigern zu zitieren, von dem du bestimmt noch nie gehört hast.« Er lässt die Hände in den Schoß sinken, die Finger offen, entspannt. »Eure Generation tut mir leid. Diese ätzende Musik, die ihr euch anhört. Du solltest mal die Band hören, zu deren Konzert Haven gegangen ist - The Mighty Hooligans. Was für ein beschissener Name ist das denn?«
Ich zucke nur die Schultern; ich bin durchaus fähig, eine Vermeidungstaktik zu erkennen, doch ganz gleich, wie sehr er sich bemüht, ich weigere mich, mich vom Kurs abbringen zu lassen, wie er es bezweckt. »Es ist deine Entscheidung«, sage ich. »Ich bin nicht hier, um dich um irgendetwas zu bitten.«
»Und warum bist du dann hier? Was soll dieser kleine Besuch? Du behauptest, du bist nicht auf das Gegengift aus, du bist nicht darauf aus, richtig gebumst zu werden, obwohl es ganz klar ist, dass du es dringend nötig hast. Du kommst einfach hier reinmarschiert und brichst in meine Privatsphäre ein, damit du mir erzählen kannst, dass du mich liebst? Wirklich, Ever? Denn ich sag’s ja nicht gern, aber ich finde das alles ein bisschen schwer zu schlucken.«
»Natürlich«, erwidere ich völlig gelassen. Das hier ist alles so ziemlich genau das, was ich erwartet habe, alles verläuft genauso, wie ich es geplant habe. »Aber nur, weil du das noch nie erlebt hast. Sechshundert Jahre, und du hast nie einen Augenblick echter, wahrer Liebe erlebt. Das ist traurig. Tragisch sogar. Aber es ist nicht deine Schuld. Also, ganz offiziell, so fühlt sich das an, Roman. So sieht das aus. Ich will einfach nur, dass du weißt, dass ich dir verzeihe, trotz allem, was du getan hast. Und weil ich dir verzeihe, weil ich dich befreie, kannst du mir nichts mehr anhaben oder mich verletzen. Wenn du mir das Gegengift nie gibst - na ja, Damen und ich werden damit
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