Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
alles … gut. Du musst mir einfach vertrauen.«
Er sieht mich an, und seine Besorgnis nimmt zu, trotzdem nickt er nur und sagt: »Wenn du mir sagst, ich soll dir vertrauen, dann vertraue ich dir. Aber lass mich wissen, wenn ich sonst noch etwas tun kann.«
Ich strecke die Hand nach ihm aus, nach meinem Freund, meinem Seelengefährten, meinem Partner fürs ganze Leben. Und weiß, dass es genau so sein soll, dass alles, was ich jetzt durchmache, lediglich eine rüde Störung ist, ein technisches Problem, ein kurzes Flackern auf dem Schirm unserer endlosen Leben.
Und ich bin mir dieses schrecklichen, beharrlichen Summens bewusst, das im Hintergrund schwirrt und droht, wieder die Oberhand zu gewinnen, als ich ihm direkt in die Augen sehe und frage: »Was hältst du davon, wenn wir uns absetzen?«
Sein Gesicht wird weicher, seine Augen leuchten auf; für ein gutes Abenteuer ist er immer zu haben. »Hast du etwas Besonderes im Sinn?«, erkundigt er sich und hat eindeutig
keine Ahnung, was ich im Sinn habe, doch sein Blick erklärt sich unverkennbar einverstanden.
Ich nicke, drücke seine Hand und dränge ihn stumm, die Augen zu schließen. »Komm mit«, flüstere ich.
NEUN
S obald wir landen und beide Seite an Seite aufs Gras kugeln, fühle ich mich besser. Eine Million, hundert Millionen mal besser. Ich springe auf und hüpfe durch die Wiese, frei von dieser grauenvollen, unerwünschten Energie, diesem seltsamen fremden Puls und den Gedanken an Roman, den er mit sich bringt. All das ist zu nicht mehr als einer vagen Erinnerung geworden, als das Gras unter meinen Füßen federt und die duftenden Blumen unter meinen Fingerspitzen erschauern. Rasch werfe ich einen Blick über die Schulter, winke Damen, sich mir anzuschließen, während sich zum ersten Mal seit Tagen ein echtes Lächeln auf meinem Gesicht breitmacht.
Ich bin regeneriert, erneuert, kann ganz neu anfangen.
Er kommt auf mich zu und bleibt knapp außerhalb meiner Reichweite stehen, während er die Augen schließt und die duftenden Wiesen des Sommerlandes augenblicklich in eine exakte Replik des Schlosses Versailles verwandelt. Und uns mitten in eine Halle stellt, die so prachtvoll und gewaltig ist, dass es mir den Atem verschlägt.
Der Fußboden besteht aus blitzblankem Parkett, während an den cremeweißen Wänden massenhaft Blattgold glänzt. Und an den Decken - diesen aberwitzig hohen, mit kunstvollen Fresken verzierten Decken - hängt eine Reihe glitzernder Kronleuchter, deren fein geschliffenen Kristalle in den Flammen brennender Kerzen funkeln und leuchten
und den Raum mit einem Kaleidoskop aus weichem Licht erfüllen. Und gerade als ich denke, dass es unmöglich noch besser werden kann, sind die majestätischen Anfangsklänge einer Sinfonie zu vernehmen, und Damen verneigt sich vor mir und reicht mir die Hand.
Ich schlage die Augen nieder und sinke in einen gekonnten Knicks, dabei nutze ich die Gelegenheit, mein Kleid zu begutachten. Das Mieder ist eng und tief ausgeschnitten und geht in weiche, lockere Falten aus glänzend blauer Seide über, die bis zum Boden reichen. Dann hebe ich den Blick und sehe, wie er eine schmale Samtschachtel aus seinem Rock zieht. Ich schnappe vor Freude nach Luft, als er sie öffnet und ich eine erlesene Kette aus Diamanten und Saphiren erblicke, die er mir um den Hals legt.
Rasch drehe ich mich um und werfe einen Blick in die lange Spiegelreihe, die jede Seite der Halle bedeckt, betrachte uns beide, er in seinen Reithosen, dem Gehrock und den Stiefeln, und ich in meinem üppigen Prunk, das Haar zur kompliziertesten Hochsteckfrisur der Welt geschlungen und gelockt. Und ich weiß genau, was er tut - weiß genau, was er vorhat. Er schenkt mir das Happy End, das Drina mir gestohlen hat.
Ehrfürchtig sehe ich mich in dem Ballsaal um und kann es kaum fassen, dass ich das hier hätte haben können, dass ich Teil dieser Welt hätte sein können - seiner Welt. Wäre mir mein Cinderella-Happy-End nicht entrissen und mir die Chance genommen worden, den gläsernen Schuh auch nur anzuprobieren.
Wäre es mir gestattet gewesen, am Leben zu bleiben, dann hätte er mir das Elixier gegeben und mich binnen eines Augenblicks von der niederen französischen Dienstmagd Evaline in dies hier verwandelt - in dieses strahlende
Wesen, das mich aus dem Spiegel anstarrt. Und über hundert Jahre später hätten wir hier miteinander tanzen, hätten diese wunderschöne Nacht miteinander teilen können, in unseren schönsten Kleidern und vor
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