Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
ich eigentlich wollte, sodass der Wagen einen Satz nach vorn macht, während meine Gedanken zu jenem ersten Tag zurückkehren - oder zumindest zu jenem Tag, als Damen zum ersten Mal versucht hat, mir draußen auf dem Schulparkplatz diese Neuigkeit mitzuteilen, die mein ganzes Leben verändert hat. Aber damals war ich nicht bereit, zuzuhören. Und ich war so weit entfernt von hin und weg , wie man nur sein kann. Dann, als er ein zweites Mal darauf bestand, mir unsere lange, verworrene Vergangenheit zu erläutern, war ich mir immer noch nicht sicher. Ich meine,
einerseits fand ich es ziemlich cool, dass wir endlich zusammen sein konnten, nachdem wir jahrhundertelang getrennt gewesen waren. Andererseits gab’s da auch vieles, was es erst mal zu begreifen galt. Vieles, was es aufzugeben galt.
Und obwohl wir zuerst dachten, die Entscheidung läge ganz allein bei mir, dass ich weiter das Elixier trinken und meine Unsterblichkeit annehmen oder sie gar nicht beachten, mein Leben zu Ende leben und mich irgendwann in ferner Zukunft dem Tod ergeben könnte - jetzt wissen wir es besser.
Jetzt wissen wir die Wahrheit über das Ende eines Unsterblichen.
Jetzt wissen wir vom Schattenland.
Der unendlichen Leere.
Dem ewigen Abgrund.
Dem Ort, wo die Unsterblichen bleiben, seelenlos, völlig isoliert, und zwar für alle Ewigkeit.
Einen Ort, den wir unbedingt meiden müssen.
»Äh, hal-lo , Erde an Ever.« Haven lacht.
Doch ich zucke lediglich die Achseln. Das ist die einzige Antwort, die ich ihr zu geben beabsichtige.
Was sie nur dazu veranlasst, sich zu mir herüberzubeugen und zu sagen: »Entschuldige, aber ich kann dich so was von nicht verstehen. Das hier ist so ziemlich der beste Tag in meinem ganzen Leben, und du willst nur über das Negative reden. Ich meine, hallo? Hellsehen, Superkräfte, alterslose Jugend und Schönheit - bedeutet dir das denn gar nichts?«
»Haven, das Ganze ist nicht nur Spaß und Spiel, da gibt’s auch …«
»Ja, ja.« Sie verdreht die Augen. »Da gibt’s Regeln, eine Kehrseite der Medaille. Habe ich verstanden.« Sie rafft ihr Haar seitlich zusammen und dreht es zu einem
schimmernden braunen Strang zusammen. »Aber, Mann, kriegst du das nie über? Immer so was von belastet zu sein, so schwer an der ganzen Welt zu tragen. Du hast doch das tollste Leben überhaupt. Du bist blond, blauäugig, groß, fit, begabt, ach ja, und obendrein ist noch der heißeste Typ des ganzen Universums rein zufällig wahnsinnig in dich verknallt.« Sie seufzt und fragt sich, wie ich ihrer Wahrheit gegenüber nur so blind sein kann. »Ich meine, seien wir doch mal ehrlich, du hast ein Leben, von dem andere Leute nur träumen können - und trotzdem sieht das alles bei dir aus wie die Straße ins Jammertal. Und ganz ehrlich, tut mir leid, das zu sagen, aber ich finde, das ist total durchgeknallt. Denn die Wahrheit ist, ich fühle mich klasse! Wie elektrisiert! Als würde ein Blitz durch meinen Körper durchfahren, vom Kopf bis zu den Zehen! Und auf gar keinen Fall komme ich mit auf deine Reise ins Tal der Tränen. Auf gar keinen Fall hänge ich in irgendwelchen grottenhässlichen Kapuzenteilen auf dem Schulhof rum, mit’ner Sonnenbrille und’nem iPod, der mir praktisch in den Schädel implantiert ist, so wie du früher. Ich meine, jetzt weiß ich wenigstens, warum du das gemacht hast, um all diese Stimmen und Gedanken zu meiden, stimmt’s? Aber trotzdem, den Teufel werde ich tun und so leben. Ich habe vor, mich auf das Ganze einzulassen - und zwar total. Und außerdem habe ich vor, Stacia, Honor und Craig ordentlich in den Hintern zu treten, wenn die mich oder meine Freunde auch nur schief anschauen! Wenn ich an all den Mist denke, mit dem die dir immer gekommen sind, und wie du dir das einfach hast gefallen lassen …« Sie schürzt die Lippen. »Das kapiere ich einfach nicht.«
Ich sehe sie an und weiß, dass ich einfach meinen Schutzschild herunterfahren und die Antwort denken kann, und
sie wird die Worte in meinem Kopf hören. Aber mir ist auch klar, dass diese Antwort sehr viel mehr nachhallen wird, wenn ich sie laut ausspreche. Also sage ich: »Wahrscheinlich, weil das alles so einen hohen Preis hatte … Den Verlust meiner Familie, niemals die Brücke …« Jäh halte ich inne und hindere die Worte daran, aus meinem Mund zu entwischen. Ich bin nicht wirklich bereit, ihr das mit dem Sommerland zu erklären, jener wunderschönen mystischen Dimension zwischen den Dimensionen, oder das mit der Brücke, über
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