Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
die alle Sterblichen auf die andere Seite gelangen - jedenfalls jetzt noch nicht. Immer eins nach dem anderen. »Es ist nur, ich werde immer hier sein. Ich werde nie auf die andere Seite kommen und meine Familie wiedersehen. Und für mich fühlt sich das jedenfalls wie ein ganz schöner Nachteil an.«
Sie streckt den Arm nach mir aus, und auf ihrem Gesicht liegt ein mitleidsvoller Ausdruck, ehe sie die Hand rasch zurückzieht. »Uups,’tschuldigung! Hab ganz vergessen, dass du es ätzend findest, wenn man dich anfasst.«
»Ich finde es nicht ätzend, angefasst zu werden. Es ist nur, manchmal … Na ja, das kann ziemlich viel aussagen, das ist alles.«
»Wird das für mich jetzt auch so sein?«
Ich sehe sie an und habe keine Ahnung, was für Gaben sie in petto hat. Sie ist mit nur einem Glas Elixier bereits so weit, wer weiß, was mehrere Flaschen auslösen werden?
»Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Einiges von all dem ist passiert, weil ich gestorben war und im …«
Ihre Augen werden schmal; sie bemüht sich, meine Gedanken zu lesen, kommt aber nicht sehr weit, dank des Schutzschildes, den ich errichtet habe.
»Na, sagen wir einfach, ich hatte ein Nahtoderlebnis.
Das ändert meistens so einiges.« Ich biege in ihre Straße ein.
Mit festem Blick sieht sie mich unverwandt an; ihre Finger fummeln an einem kleinen Riss in ihren Leggins herum, während sie feststellt: »Scheint, als wärst du irgendwie ganz schön wählerisch mit dem, was du mich wissen lässt.« Sie zieht die Brauen hoch, fordert mich heraus, es abzustreiten.
Doch das tue ich nicht. Ich tue gar nichts, außer die Augen zu schließen und zu nicken. Ich habe es so satt, die ganze Zeit zu lügen und alles vertuschen zu müssen. Es tut gut, zur Abwechslung mal ein paar Dinge zuzugeben.
»Darf ich fragen, warum?«
Ich ziehe die Schultern hoch und hole tief Luft, dann zwinge ich mich, ihren Blick zu erwidern. »Das ist eine ganze Menge, was man da alles auf einmal verdauen muss. Manche Sachen muss man selbst erleben, um sie zu verstehen. Und andere … Na ja, vieles davon kann warten. Allerdings gibt’s immer noch ein paar Dinge, die du wissen musst.«
Ich parke in ihrer Auffahrt und hantiere in meiner Tasche herum; dann reiche ich ihr einen kleinen Seidenbeutel, genau wie der, den Damen mir geschenkt hat.
»Was ist das?« Sie zieht die Schnur auf, steckt die Finger hinein und holt eine kleine Traube bunter Steine hervor, die von dünnen Goldfäden zusammengehalten werden und an einer schwarzen Seidenschnur hängen.
»Das ist ein Amulett«, erkläre ich. »Es … es ist wichtig, dass du es immer trägst. Von jetzt an so ziemlich jeden Tag.«
Sie blinzelt und lässt es pendeln, sieht zu, wie die Steine das Sonnenlicht einfangen und es zurückwerfen.
»Ich habe auch eins.« Ich ziehe mein kleines Bündel Steine unter meinem T-Shirt hervor.
»Wie kommt’s, dass meins anders aussieht?« Ihr Blick wandert zwischen den beiden Amuletten hin und her, unterscheidet, vergleicht, versucht zu entscheiden, welches besser ist.
»Weil niemals zwei genau gleich sind - wir haben alle verschiedene … Bedürfnisse. Und wenn wir die tragen, sind wir sicher.«
Sie sieht mich an.
»Sie haben schützende Eigenschaften.« Ich zucke die Achseln; mir ist klar, dass ich hier in trüben Gewässern fische. Das ist der Teil, über den Damen und ich uns nicht einig waren.
Haven legt den Kopf schief und zieht eine Grimasse; sie kann meine Gedanken nicht lesen, weiß aber genau, dass ich irgendetwas vor ihr verberge. »Vor was genau sollen die Teile uns denn beschützen? Ich meine, wir sind doch unsterblich, richtig? Was, wenn ich mich nicht irre, mehr oder weniger heißt, dass wir ewig leben, und trotzdem erzählst du mir, dass ich Schutz brauche? Dass ich beschützt werden muss?« Sie schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, Ever, aber das ist einfach nicht logisch. Vor wem oder was müsste ich denn beschützt werden?«
Ich hole tief Luft und sage mir, dass ich das Richtige tue, das Einzige, ganz egal was Damen auch denken mag. Und hoffe, dass er mir verzeihen wird, als ich antworte: »Vor Roman.«
Wieder schüttelt sie den Kopf, verschränkt die Arme vor der Brust, weigert sich, mir zu glauben. »Roman? Das ist doch lächerlich. Roman würde mir nie etwas antun.«
Mit offenem Mund starre ich sie an und traue meinen Ohren nicht, erst recht nicht nach allem, was ich ihr gerade erzählt habe.
»Tut mir leid, Ever, aber Roman ist mein Freund. Und nicht dass
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