Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
blitzend und glitzernd spritzt der Saft an den Seiten empor, bis sie lässig den Arm ausstreckt, die Handfläche ausbreitet und die Flasche mitten im Fallen auffängt. Mit funkelnden Augen sieht sie zu, wie Sabine blinzelnd den Kopf schüttelt und sich auf der Stelle einredet, dass sie nicht gesehen hat, was sie gerade gesehen hat, sich einredet, dass sich niemand so schnell bewegen kann und es gar nicht so gewesen sein kann, wie sie dachte.
»Uuups!« Haven lacht. »Na, egal, ich will Sie nicht länger aufhalten. Ich bin nur gekommen, um mir eine Flasche von Evers Elixier zu holen.« Sie hält die Flasche vor sich, wiegt sie hin und her, ehe sie auf die Kiste in meinen Armen zeigt, in der der restliche Vorrat liegt.
»Du bist gekommen, um … was zu holen?« Sabine fällt es
offensichtlich schwer, aus Havens Worten schlau zu werden. Misstrauisch sieht sie zwischen der Flasche und mir hin und her, stellt sich dann auf die Zehenspitzen und späht in die Kiste, während sie sich fragt, warum sie bisher eigentlich nie richtig darauf geachtet hat. Sie stellt ihre Einkaufstüte auf den Garderobentisch und greift nach der Flasche, die ihr Haven freundlich entgegenhält. Wenn es Ärger für mich bedeutet, gibt Haven sie natürlich gerne her.
Doch sie hat es schon weit genug getrieben, und ich kann die Situation auf keinen Fall weiter eskalieren lassen.
Ich kann nicht erlauben, dass Sabine das Elixier in die Finger kriegt.
Kann nicht erlauben, dass Haven mich dermaßen austrickst.
»Es ist nichts«, sage ich und ramme Haven unsanft die Kiste in die Seite. »Es ist nur dieser Energy-Sportsdrink, den ich so gerne mag.«
Natürlich kauft mir Sabine das nicht ab. Ein Blick in ihr Gesicht genügt mir, um zu wissen, dass sie jetzt auf höchster Alarmstufe ist. Schlagartig stellt sie die Verbindung zwischen meinem seltsamen Benehmen, meiner Weigerung, zu essen, und all meinen anderen merkwürdigen und unerklärlichen Gewohnheiten her und vermutet – nicht ganz zu Unrecht –, dass das alles von diesem Getränk herrührt.
Haven lacht und drückt ihr das Elixier in die Hand, neckt sie, lockt sie, drängt sie, nur einen kleinen Schluck zu versuchen, damit sie selbst beurteilen kann, wie gut — wie erfrischend – wie energetisierend und lebensverändernd ein einziger Schluck sein kann.
Und Sabine, verführt von Havens Blick und dem Glitzern des Elixiers, ist kurz davor, den Köder zu schlucken,
als Haven noch schriller lacht und ihr die Flasche wieder entzieht.
Sabine schüttelt den Kopf, strafft die Schultern und fasst sich rasch wieder. »Ich glaube, du gehst jetzt besser«, stößt sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich glaube, du gehst am besten sofort. Und es tut mir leid, das zu sagen, Haven, aber du hast offensichtlich massive Probleme und brauchst dringend Hilfe, und ehe du keinen Weg gefunden hast, dein Benehmen unter Kontrolle zu bringen, möchte ich dich hier nicht mehr sehen.« Sie greift nach ihrer Einkaufstüte, während sie Haven nicht aus den Augen lässt.
»Oh, keine Sorge«, sagt Haven lächelnd und wendet sich zum Gehen. »Sie werden mich in absehbarer Zeit nicht mehr zu Gesicht kriegen. Ich habe absolut nicht das Bedürfnis, je wieder hier aufzukreuzen, jetzt, da ich habe, was ich brauche.«
Sie greift nach der Tür, und ich bin direkt hinter ihr, entschlossen, die Sache so schnell und reibungslos über die Bühne zu bringen wie möglich, bevor die beruhigende Wirkung des Elixiers abklingt und sie erneut zu toben beginnt.
Doch gerade als ich auf die Schwelle treten will, packt Sabine mich am Arm. Sie hat nicht vor, mich gehen zu lassen, nicht jetzt und ganz gewiss nicht mit einer Freundin, der sie gerade Hausverbot erteilt hat.
Sie umklammert mein Handgelenk und fragt: »Und wo willst du jetzt hin?«
Ich fange ihren Blick auf und weiß, dass meine einzige Chance darin besteht, es so ruhig und klar zu formulieren, wie ich kann. Indem ich keinen Zweifel daran lasse, dass sie mich nicht davon abhalten wird, meinen Plan zu Ende zu bringen, ob es ihr passt oder nicht.
»Sabine – ich muss Haven begleiten. Es dauert nicht lange, und wenn ich zurückkomme, können wir so ausführlich über alles reden, wie du willst, aber jetzt muss ich gehen.«
»Du gehst nirgendwohin!«, schreit sie mit schriller Stimme, während sie mich noch fester umkrallt, sodass mein Handgelenk feuerrot anläuft, doch es wird nicht einmal blau werden, sondern sofort heilen. »Hast du mich nicht verstanden? Du
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