Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
Dass es mir wirklich und wahrhaftig alles leidtut – der ganze Ärger, den ich ihr gemacht habe, und dass ich ihr so wehgetan habe. Sie wird es wahrscheinlich nicht glauben und auch nicht akzeptieren, was ich ihr nicht einmal übel nehmen kann, aber na ja, trotzdem …« Ich zucke die Schultern und komme mir reichlich blöd vor, doch das kann mich nicht stoppen. »Ach, und falls das nichts hilft, grüßen Sie sie damit …« Ich schließe die Augen und manifestiere einen großen Strauß aus leuchtend gelben Narzissen. Ich weiß, das hätte ich nicht tun sollen, da es nur wieder eine neue Flut von Fragen auslöst, die zu beantworten ich keine Zeit habe. Trotzdem drücke ich ihm den Strauß in die Hand. »Das sind ihre Lieblingsblumen – aber sagen Sie ihr bloß nicht, woher Sie die haben, okay?«
Und ehe er antworten kann, ehe ich seine schockierte Miene in vollem Ausmaß wahrnehmen kann, sause ich davon.
Da ich mittlerweile schon zu viel Zeit vergeudet habe, opfere ich noch eine Sekunde, um mir einen schwarzen
BMW zu manifestieren, genau so einen, wie Damen ihn fährt. Ich registriere die Verwirrung von Mr. Muñoz, seine absolute Verblüffung, während er mir aus dem Rückspiegel zusieht. Ihm fällt der Unterkiefer bis fast auf die Knie, und die Augen treten ihm aus den Höhlen, weil er nicht glauben kann, was er soeben gesehen hat, doch da rase ich bereits davon und bin in null Komma nichts außer Sichtweite.
Ich presche den Coast Highway entlang und rede mir ein, dass ich die Sache später irgendwie mit ihm klären werde, während ich krampfhaft überlege, wohin Haven gefahren sein könnte.
Mir wird flau, sowie die Antwort in meinem Kopf aufblitzt.
Das Hemd.
Jetzt, da sie – dank Sabines Einmischung – hat, was sie wollte, hat sie nicht mehr die leiseste Absicht, ihren Teil unserer Abmachung einzuhalten. Sie hasst mich dermaßen, dass sie lieber das zerstört, was ich haben will, das, worum ich nicht nur gebeten, sondern worauf ich als Gegenleistung für das Elixier bestanden habe, obwohl es selbstverständlich einen enormen sentimentalen Wert für sie hat.
Andererseits bin ich mir aber ziemlich sicher, dass sie keine Ahnung hat, welche Verheißung es für mich birgt.
Doch darum geht es nicht. Für Haven ist die Tatsache, dass ich es haben will, die Tatsache, dass ich bereit war, darum zu feilschen, Grund genug, es zu zerstören.
Das habe ich daran gemerkt, wie sie mich angesehen hat. Sie mag zittrig und mehr als ein bisschen neben der Spur gewesen sein, aber sie hatte gerade genug Elixier getrunken, um einigermaßen logisch denken und handeln zu können.
Als ich ihr anbot, ihr gegen einen Gefallen ihrerseits eine
großzügige Ladung Saft zu überlassen, zuckte sie nur die Achseln. »Gut«, sagte sie. »Einverstanden. Was du willst. Was ist denn das sagenhafte Ding, das du so dringend brauchst?«
»Ich will das Hemd«, sagte ich und ging auf sie zu, bis ich direkt vor ihr stand. »Das Hemd, das Roman an seinem letzten Abend getragen hat. Das Hemd, das du mir aus der Hand gerissen hast, ehe du mich bedroht und rausgeworfen hast.«
Als sie mich aus schmalen Augen böse anfunkelte, war klar, dass sie es noch hatte. Doch es war ebenso klar, dass sie keine Ahnung hatte, was ich damit wollte und warum es mir so wichtig war. Und ich kann nur hoffen, dass es dabei bleibt, zumindest bis ich es unversehrt in meinen Besitz bringen kann.
»Du meinst, das Hemd, das er an dem Abend getragen hat, als du ihn umgebracht hast?«, fragte sie mit wie verrückt tanzenden Augenbrauen.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf, sah sie fest an und redete mit ruhiger Stimme weiter. »Ich meine das Hemd, das er an dem Abend getragen hat, als er durch Judes Hand einen tragischen Unfalltod gestorben ist. Du gibst mir das weiße Leinenhemd, das er an dem Abend anhatte, und zwar genau dasselbe . Und du kannst mir glauben, dass ich es merke, wenn du versuchst, es gegen eine Fälschung auszutauschen. Also, du gibst es mir, und dann bekommst du von mir so viel Elixier, wie du brauchst.«
Sie blickte zwischen mir und der gerade von mir mit dem Elixier gefüllten Kiste hin und her – der Kiste, die ich als gutgläubige Anzahlung bezeichnet hatte, da sie alles war, was ich momentan zur Verfügung hatte. Haven hätte mir meinen Wunsch so gern abgeschlagen, war jedoch so total
von ihrer Sucht, ihrer verzehrenden Gier gefangen, dass sie letztlich widerwillig einschlagen musste.
Schließlich nickte sie. »Gut. Einverstanden. Wie du willst.
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