Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
Argument durch den Kopf gehen zu lassen, damit sie begreift, dass es vollkommen unsinnig ist –, hat sie immer noch nicht nachgegeben. Ich meine, sie hat mir allen Ernstes Betrug vorgeworfen!« Ich schließe die Augen und runzele die Stirn und sehe den Moment so klar vor mir, als würde sich alles gerade jetzt abspielen.
Sabine, wie sie am Morgen nach Romans Tod in mein Zimmer gestürzt kam, an dem Morgen, nachdem ich jegliche Hoffnung verloren hatte, jemals wirklich mit Damen zusammen zu sein oder jemals das Gegengift zu bekommen. Wie sie mir nicht mal Zeit gelassen hat, richtig aufzuwachen, mir das Gesicht zu waschen und die Zähne zu putzen und mich irgendwie zu wappnen.
Wie sie mich mit einem Schwall selbstgerechter Wut konfrontiert, mich aus schmalen Augen angefunkelt und mich angeblafft hat: »Ever, findest du nicht, dass du mir für gestern Abend eine Erklärung schuldig bist?«
Ich schüttele die Erinnerung daran ab und schaue zu Damen. »Ihrer Meinung nach«, fahre ich fort, »gibt es nämlich keine übersinnlichen Kräfte, keine außersinnliche Wahrnehmung oder irgendetwas dergleichen. Ihr zufolge kann niemand in die Zukunft sehen. Es ist nur eine erlogene Behauptung von geldgierigen, skrupellosen, betrügerischen Scharlatanen wie mir! Und ich habe mutwillig von dem Augenblick an Betrug betrieben, als ich für meine erste Sitzung als Wahrsagerin Geld genommen habe. Und nur für den Fall, dass du es nicht weißt, so etwas hat juristische Konsequenzen, die sie mir natürlich postwendend genüsslich aufgelistet hat. Als sie es dann gestern Abend fertiggebracht hat, mir die Sache noch mal aufs Butterbrot zu schmieren, hab ich sie gefragt, ob sie mir einen guten Anwalt empfehlen könne, da mir langsam klar würde, dass ich in großen Schwierigkeiten stecke.« Ich verdrehe die Augen beim Gedanken daran, wie schlecht das angekommen ist.
Nervös zupfe ich am Saum meines kurzen, weißen Baumwollkleids und balanciere die offene Flasche mit Elixier auf dem Knie, während ich mich ermahne, mich zu beruhigen und es einfach so stehen zu lassen. Wir haben das Ganze schon zigmal durchgekaut, und trotzdem bringt es mich jedes Mal nur noch mehr aus der Fassung.
Ich sehe aus dem Fenster, während Damen langsam abbremst, um eine ältere Frau mit einem Surfbrett in der einen Hand und einer Hundeleine mit einem gelben Labrador in der anderen über die Straße zu lassen. Der Hund erinnerte mich so sehr an meinen alten Hund Buttercup mit seinem wedelnden Schwanz, dem glänzend gelben Fell, den fröhlichen braunen Augen und der niedlichen rosa Schnauze, dass ich zweimal hinsehen muss und sich der altbekannte
Schmerz wieder meldet – die stetige Erinnerung an alles, was ich verloren habe.
»Hast du sie daran erinnert, dass sie diejenige ist, die dich mit Ava bekannt gemacht hat, was dich ja dann unbeabsichtigterweise zu dem Job bei MYSTICS & MOONBEAMS geführt hat?«, fragt Damen und holt mich damit in die Gegenwart zurück.
Ich nicke, schaue auf meiner Seite aus dem Fenster und sehe den Hund im Spiegel immer kleiner werden. »Ich habe es gestern Abend erwähnt, und weißt du, was sie gesagt hat?«
Ich lasse die Szene aus meinem Geist in seinen strömen. Sabine steht am Küchentresen, vor sich einen Berg Gemüse, das sie putzen und zerkleinern will. Ich habe meine Joggingsachen angezogen, weil ich ausnahmsweise einmal ohne Theater das Haus verlassen will. Doch alle beiden Vorhaben werden brutal sabotiert, als sie in ihrem endlosen Kampf gegen mich die fünfzehnte Runde einläutet.
»Sie hat gesagt, es sei ein Gag gewesen. Ein Partyspaß. Rein zu Unterhaltungszwecken. Dass man es keinesfalls ernst nehmen soll.«
Eigentlich will ich noch weiterreden, da ich noch nicht einmal annähernd am Ende angelangt bin, da sieht er mich an und sagt: »Ever, wenn ich in meinen sechshundert Lebensjahren eines gelernt habe, dann ist es das, dass die Menschen Veränderungen fast ebenso sehr hassen, wie sie es hassen, wenn man ihre Überzeugungen infrage stellt. Ehrlich. Sieh dir nur an, wie es meinem armen Freund Galileo ergangen ist. Er wurde gnadenlos niedergemacht, weil er die Kühnheit besaß, zu behaupten, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums sei. Es ging so weit, dass er vor Gericht gestellt, der Ketzerei schuldig gesprochen und
zum Widerruf gezwungen wurde, und dann musste er den Rest seines Lebens unter Hausarrest verbringen, obwohl wir doch heute alle genau wissen, dass er absolut Recht hatte. Also wenn du’s dir
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