Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
ignorieren.
Als ich gesagt habe, dass mich nichts mehr zerbrechen könne, habe ich mich geirrt.
Total geirrt.
Allerdings habe ich auch nie damit gerechnet, ihn so vorzufinden.
Er spricht leise mit ihr, seine Miene freundlich und sanft, während er sie von den grausamen Bemerkungen und Blicken ablenkt, die von fast jedem kommen, der vorübergeht. Doch solange Damen da ist, wird nichts Schlimmeres passieren. Niemand wird sich näher heranwagen. Seine Anwesenheit allein ist es, die alle anderen fernhält. Ihre Sicherheit garantiert.
Solange sie bei ihm ist, bleibt sie vor ihrem Zorn geschützt.
Aber zu verstehen, warum er es tut, macht das Zusehen nicht leichter. Und jede Sekunde, die ich da stehe, verkümmert ein Teil von mir.
Ein Teil von mir stirbt ab.
Miles packt mich am Ellbogen, entschlossen, mich wegzulotsen, aber vergeblich. Ich bin stärker als er und bewege mich nicht vom Fleck.
Ich weiß, dass es nur eine Frage von Sekunden ist, bis Damen meine Anwesenheit, meine Energie spürt. Und obwohl sich mein Magen krampfhaft zusammenzieht, mein Herz fast bricht und meine Hände zittern, obwohl ich mich davor fürchte, was ich in seinem Blick finden werde, wenn er mich erst entdeckt hat, will ich doch, dass es geschieht.
Muss wissen, was es bedeutet.
Muss wissen, ob sie jetzt den Platz einnimmt, den ich einst in seinem Leben innehatte.
Als er mich ansieht, als seine Augen weit werden und sich seine Lippen auf eine Weise teilen, die ihn komplett verwandelt, stockt mir der Atem.
Der Moment fühlt sich wie eine Ewigkeit an, als wäre irgendwie die Zeit stehen geblieben. Es dauert nicht lange, bevor auch sie es bemerkt, sie seinem Blick bis zu mir folgt, sich jedoch rasch wieder abwendet. Ihr früheres Übermaß an Selbstsicherheit ist ein für alle Mal dahin.
»Ever – bitte «, drängt Miles, seine Lippen an meinem Ohr. »Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Nichts ist, wie es scheint. Alles steht Kopf. Die früheren Ausgestoßenen sind jetzt die Elite – tja, und die ehemalige Elite hat sich mehr oder weniger aufgelöst. Die meisten von ihnen halten sich versteckt, manche haben sogar die Schule verlassen. Nichts ist mehr, wie es war.«
Obwohl ich seine Worte höre, kann ich sie nicht aufnehmen.
Mir ist das alles ganz egal. Mir liegt nur etwas an Damen und daran, wie sein Blick meinen umkreist.
Und obwohl ich darauf warte – eine Tulpe, sei sie nun manifestiert oder nur gedacht, oder irgendein anderes Zeichen – , kommt nichts.
Nichts kommt als das endlose Schweigen, das sich zwischen uns erstreckt.
Und so lehne ich mich an Miles und lasse mich von ihm wegführen.
Mich direkt an ihnen vorbeiführen.
Mitten durch meinen Schmerz.
ZWANZIG
E r ruft mich beim Namen, und ich höre seine Stimme hinter mir. Direkt hinter mir. Unwillkürlich drehe ich mich um und gehe, ohne nachzudenken, auf ihn zu.
»Du bist wieder da.« Er sieht mich an, seine Worte eine Feststellung, sein Blick eine Frage.
Ich nicke und zucke die Achseln. Und dann ringe ich darum, mir all die anderen nervösen Übersprungshandlungen zu verkneifen, während ich krampfhaft überlege, wie ich jetzt weitermachen soll.
Er ist dieser Aufgabe weitaus besser gewachsen als ich, denn schon im nächsten Moment ergreift er das Wort. »Schön, dich zu sehen.«
»Ja?« Ich kneife die Augen zusammen und bereue auf der Stelle meinen schnippischen Tonfall. Schon sehe ich, wie er zusammenzuckt und sich seine Augenwinkel nach unten bewegen, doch jetzt ist es zu spät.
»Du hast mir gefehlt.« Er streckt mir eine Hand entgegen, aber nur kurz, dann lässt er sie wieder fallen. »Ich habe deinen Anblick vermisst und deinen Duft. Ich habe einfach alles an dir vermisst.« Er lässt den Blick über mich schweifen und langsam kreisen, wie eine zärtliche Umarmung. »Und selbst wenn du beschließen solltest, nie wieder mit mir zu reden, ändert das nichts. Nichts kann je meine Gefühle für dich verändern.«
In mir scheint sich alles aufzulösen, und ich werde zu
einer schwabbeligen Masse aus Entschlusslosigkeit. Hin und her gerissen zwischen Fluchtgedanken – mich so weit wie nur irgend möglich von ihm zu entfernen – und dem Wunsch, mich schnurstracks in den Schutz seiner wundervollen warmen Arme zu stürzen. Mir ist unbegreiflich, wie ich mich im Hinblick auf die Konfrontation mit Haven und ihrem ganzen Wahnsinn so absolut stark fühlen kann, so sicher, dass ich sie locker in den Griff kriege, doch das hier, die Sache mit Damen, ihn mit ihr zu
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