Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Gefühl, unterwegs zu sein. »Und warum unterscheiden sie sich in der Ausstattung so von euch?«
»Weil New York eine Stadt mit einem ernsthaften Vampirproblem ist.« Lucas sah grimmig aus. »Die Vampire haben sich dort etwa zeitgleich mit den Holländern angesiedelt, damals um 1600 herum. Sie haben sich in der Gegend ausgebreitet, sind mächtig geworden und haben großen Einfluss gewonnen. Diese Zelle vom Schwarzen Kreuz braucht alle Mittel, die sie kriegen kann, um gegen die Vampire vorzugehen. Tatsächlich gab es in New York auch unsere erste Zelle in der Neuen Welt. Wenigstens hat man uns das beigebracht. Ist ja nicht so, dass es in den Geschichtsbüchern steht.«
Ich dachte an Vampire im alten Neu-Amsterdam, und dann wanderten meine Gedanken zu Balthazar und Charity, die zu jener Zeit bereits gelebt hatten. Als Balthazar mir erzählt hatte, wie er im Amerika der Kolonialzeit aufgewachsen war, hatten seine Schilderungen für mich so unglaublich alt, geheimnisvoll und beeindruckend geklungen. Es war eine merkwürdige Vorstellung, dass es damals das Schwarze Kreuz auch schon gegeben hatte.
Raquel schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen, denn sie fragte: »Wurde damals das Schwarze Kreuz gegründet? Um sechzehnhundert herum?«
Dana lachte laut. »Versuch’s noch mal tausend Jahre vorher. «
»Ach, hör auf«, entfuhr es mir. »Wirklich?«
»Alles hat im Byzantinischen Reich angefangen«, erklärte Lucas. Angestrengt überlegte ich, wer wohl die Byzantiner gewesen waren. Vielleicht waren sie nach dem Römischen Reich gekommen, aber ich war mir nicht sicher. Ich konnte mir vorstellen, wie entsetzt Mom über mein vages Halbwissen gewesen wäre: Eine tolle Tochter einer Geschichtslehrerin war ich. »Zunächst war das Schwarze Kreuz die Wache von Konstantinopel. Doch schon bald breitete es sich überall in Europa aus, dann in Asien. Nach Amerika und Australien gelangte es mit den Forschern. Offenbar bestanden die Könige und Königinnen darauf, dass bei jeder Expedition mindestens ein Jäger mitreiste.«
Diese letzte Information ließ mich aufhorchen: »Könige und Königinnen? Willst du damit sagen, dass die Regierung von euch weiß?« Ich versuchte, mir Lucas als eine Art paranormalen Geheimdienstmitarbeiter vorzustellen, was gar nicht so schwer war.
»Heutzutage weiß sie nicht mehr viel.« Lucas lehnte seine Stirn gegen das Fenster auf seiner Seite. Der Highway raste so schnell unter uns dahin, dass die Seitenränder verschwammen. »Ihr … Ich meine, ihr wisst, dass die Vampire kurz nach dem Mittelalter in den Untergrund gegangen sind.«
Ich warf Lucas einen Blick aus aufgerissenen Augen zu, der ihm sagen sollte: Würdest du bitte die Klappe halten ? Ganz offenbar hätte er beinahe gesagt: Ihr Vampire seid in den Untergrund gegangen. Mit anderen Worten war er kurz davor gewesen, mich vor Raquel und Dana als Vampirin bloßzustellen. Es war nur ein kleiner Versprecher gewesen, aber mehr würde es auch nicht brauchen.
Zum Glück war weder Dana noch Raquel irgendetwas aufgefallen. Raquel bemerkte: »Also haben die Vampire alle dazu gebracht, nicht mehr an sie zu glauben. Das bedeutete, dass sie sich freier bewegen konnten und dass das Schwarze Kreuz an Macht verlor, richtig?«
»Du hast es erfasst, Schlaubergerin.« Dana starrte mit zusammengekniffenen Augen auf die vor uns liegende Straße. »Verdammt, Kate hat wirklich einen Bleifuß. Will sie denn, dass wir alle eine Verwarnung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung bekommen? Wir können doch nicht aus der Formation ausbrechen.«
Lucas tat so, als habe er nicht gehört, dass sie über seine Mutter herzog. »Auf jeden Fall bekommen wir keine großen Zuschüsse mehr vom Königshaus. Es gibt Leute, die wissen, was wir tun. Einige davon sind wohlhabend und versorgen uns mit dem Nötigsten. Und das war’s dann auch schon.«
Ich stellte mir vor, was für ein Mann Lucas wohl im Mittelalter gewesen wäre: Er hätte prächtig in seiner Rüstung ausgesehen, und an den größten Höfen überall im Land wären Feste zu Ehren seiner harten Arbeit und seiner Tapferkeit gegeben worden. Dann dämmerte mir jedoch, wie sehr er es gehasst hätte, sich feinzumachen, um bei Feierlichkeiten eine gute Figur abzugeben.
Nein, beschloss ich, er gehört genau hierher und zwar genau zu dieser Zeit. Mit mir an seiner Seite.
»He«, sagte Dana. »Da, auf elf Uhr. Seht mal.«
Ich entdeckte, worauf sie unsere Aufmerksamkeit lenken wollte: Der Umriss der
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