Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Titel: Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
Geist –, wie sollen wir denn dann Kontakt zu ihr aufnehmen?«
    »Ich bin doch hier!«, schrie ich. Aber sie hörten mich nicht.
    Balthazar sah aus, als habe er keine Ahnung, was er sagen sollte. »Ich weiß nicht … Vampire und Geister … Wir lernen nur, wie wir uns aus dem Weg gehen. Und dass wir besser nicht miteinander sprechen.«
    »Wer könnte es dann nur wissen?« Lucas’ Blick war verzweifelt. »Gibt es einen Weg? Irgendeine Möglichkeit? Mir fällt einfach keine ein … Vielleicht gibt es einfach keine … Verdammt, es muss eine geben. Es muss einfach.«
    Er starrte aufs Grab hinunter und presste die Augen zusammen.
    »Ich denke nach, okay?« Balthazar sah nicht unbedingt zuversichtlicher aus als Lucas. »Kennst du irgendjemanden beim Schwarzen Kreuz, der uns etwas dazu sagen könnte?«
    Lucas stöhnte. »Jede Menge. Nur leider niemanden, mit dem ich je wieder ein Wort wechseln kann. Außer … vielleicht … «
    Er zog es in Erwägung – dachte ernsthaft darüber nach –, sich mit dem Schwarzen Kreuz in Verbindung zu setzen, obwohl es gut sein konnte, dass die Jäger den Befehl erhalten hatten, Lucas zu töten, sobald er ihnen unter die Augen kam. O nein , dachte ich. Lucas darf das nicht tun. Er ist traurig, er ist durcheinander, und das ist eine ganz schlechte Idee …
     
    Wieder löste sich die Welt in bläulichem Nebel auf, und ich verlor jedes Gespür für Körper und Materie. Auch wenn das Gefühl in gewisser Weise befreiend war – so, als wenn man in seinen Träumen fliegen kann –, gefiel es mir doch gar nicht, keinen Körper mehr zu haben. Körper waren gut. Der Körper verriet einem, wo man war und was man tun konnte. Ich vermisste es bereits schmerzlich, einen Körper zu haben, auf den ich mich wirklich verlassen konnte.
    Als ich versuchte, irgendeine Gestalt anzunehmen, manifestierte sich der Geist neben mir im Nebel. »Mit der Zeit wird dir das Spaß machen. Aber man muss sich erst mal daran gewöhnen.«
    »Heute werde ich mich auf jeden Fall nicht daran gewöhnen. « Wenn ich nur mit dem Geistermädchen sprach, fühlte es sich an, als würde ich mich unterhalten, auch wenn tatsächlich nichts laut ausgesprochen wurde. »Wir müssen darüber reden, was mit mir geschehen ist.«
    »Dann sprich.«
    »Nicht, während wir … einfach so hier herumschweben. Bring mich an einen richtigen Ort. Irgendwohin, wo es uns beide wirklich gibt.«
    »Gut, so sei es.«
     
    Einen Wimpernschlag später war der Nebel verschwunden. Sie und ich standen auf dem Speicher von Vics Haus, nicht weit entfernt von der Schneiderpuppe, die noch immer ihren federbesetzten Hut trug. Ich konnte die verstaubten, alten Bücher riechen und sah den ganzen Plunder, der sich auftürmte, auch wenn er schon weniger geworden war, seitdem unser Zuhause im Weinkeller damit ausgestattet worden war.
    Der Geist lächelte mich an, noch immer reichlich selbstgefällig. Die junge Frau hätte hübsch sein können, wenn da nicht dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht gewesen wäre. Ihr Haar war schnurgerade und zu einem Bob geschnitten. Sie hatte ein schmales Kinn, eine kräftige Nase und einen stechenden, wissenden Blick. Es erschreckte mich, dass sie vermutlich ein oder zwei Jahre jünger war als ich.
    Na ja, sie war ein oder zwei Jahre jünger gewesen, als sie gestorben war. Zum ersten Mal begriff ich, dass ich nicht mehr älter werden würde. Das fühlte sich in gewisser Weise endgültiger an als alles andere.
    Der Geist sagte: »Ich bin Maxie O’Connor. Ich bin hier vor annähernd neunzig Jahren gestorben. Seitdem spuke ich in diesem Haus. Du wirst dich ebenfalls zu diesem Ort hingezogen fühlen, weil du hier gestorben bist, aber ich sage dir gleich, dass dies hier mein Haus ist. Ich habe euch im Keller wohnen lassen, um Vic einen Gefallen zu tun, aber das war’s auch schon. Besuch: ja. Hier wohnen: nein.«
    Als ob ich sie besuchen wollte. Ihr Name klang entfernt bekannt, aber ich konnte ihn nicht einordnen und machte mir auch keine große Mühe damit. »Du bist also ein Geist.« Die nächsten Worte fielen mir schwer: »So wie ich.«
    Maxie nickte.
    Huu! … Ein Geist . In meinem letzten Jahr in der Evernight-Akademie hatte ich gelernt, Geister zu hassen und zu fürchten. Soweit ich wusste, taten sie nichts, als Leuten Angst einzujagen und sie zu quälen. Der Geist, der in Raquels Haus gelebt hatte, war ein richtiges Monster gewesen. Nun war ich eine von ihnen . Der Abscheu, den ich verspürte, ging tief. Es war, als wäre es besser,

Weitere Kostenlose Bücher