Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
die von Vampiren geboren und von Geistern erschaffen wurden, nicht wahr?«
»Wird ja Zeit, dass du es kapierst.«
Maxie konnte mir viel verraten, wie ich feststellte; sie gab mir Antworten, auf die ich mein ganzes Leben lang gewartet hatte. Aber sie würde niemals meine Freundin werden! Und für sie, so nahm ich an, war ich nur Mittel zum Zweck.
Aber zu welchem Zweck?
»Andere Geister brauchen … Geister wie mich?«, fragte ich. Als Maxie nickte, fuhr ich fort: »Um ihnen wobei genau zu helfen?«
»Du machst uns stärker. Du hilfst uns, uns zu materialisieren, sodass wir uns wieder mit der Welt verbinden können. « Maxie schwebte durch den Speicher. Ihre Füße berührten nicht den Boden, was ich ziemlich gruselig fand, auch wenn ich nicht hätte sagen können, warum. »Hör auf mit diesem Selbstmitleid und stell dir vor, wie es wäre, wenn es Monate, Jahre, Jahrhunderte lang nur diesen blauen Nebel gäbe. So ist es für einige von uns. Diejenigen, die so verloren gegangen sind, würden alles tun, um wieder Gestalt annehmen zu können. Manchmal können sie es nur, wenn sie sich an den Ängsten der Menschen festhalten und sie verstärken. Aber die meisten Geister wollen etwas anderes. Einen anderen Weg. Und du kannst ihnen diesen Weg eröffnen. «
Ich erinnerte mich an den Geist, der Raquel so viele Jahre ihres Lebens gequält hatte. War es ihm nur möglich gewesen, aus seinem Nebelgefängnis zu entkommen, indem er sie verletzte? War er einer der Geister, der eine falsche Entscheidung getroffen hatte?
Maxie fügte hinzu: »Wenn wir in deiner Nähe sind, dann können wir Dinge tun, zu denen wir allein nicht in der Lage wären. Zum Beispiel war es uns möglich, bei dir in Evernight zu erscheinen, obwohl wir dafür die Barrieren durchbrechen mussten. Du warst noch kein richtiger Geist, aber diese Macht war bereits in dir.«
»Also bin ich im Grunde geboren worden und gestorben, damit ihr Typen ein paar zusätzliche Batterien geliefert bekommt. « Sollte ich mich bei diesen Neuigkeiten vielleicht besser fühlen? »Ich helfe keinem von euch. Ich gehe zurück zu Lucas.«
»Kannst du nicht noch ein bisschen warten? Bitte!«
Maxie verblasste, bis sie beinahe völlig durchscheinend war, und in dem schwachen Relief, das von ihrem Gesicht noch zu erkennen war, konnte ich sehen, wie verletzt sie war. Nach beinahe einem Jahrhundert auf Vics Dachboden war sie vermutlich einsam. Und vielleicht war sie schon so lange tot, dass es ihr unterdessen gar nicht mehr auffiel, wie schrecklich das war. Mein Mitgefühl überwog jedoch nicht meine Vorbehalte.
»Wenn du eine Freundin brauchst«, sagte ich langsam, »dann musst du dich auch wie eine benehmen.«
Der Speicher und Maxie verschwanden. Dieses Mal schien sich der Nebel kaum um mich herum zu schließen, ehe ich mich dort wiederfand, wo ich sein wollte – bei Lucas.
Im Handumdrehen war ich in den Weinkeller zurückgekehrt, wo Lucas und Balthazar an einem kleinen Tisch saßen. Sie sahen erschöpfter aus, als ich sie jemals zuvor gesehen hatte. Lucas lehnte sich gegen die grüne Tapete; Bartstoppeln zeichneten sich dunkel auf seinem scharf geschnittenen Kiefer ab. Die dunklen Ringe unter seinen Augen ließen ihn aussehen, als wäre er zusammengeschlagen worden. Neben ihm stützte Balthazar die Unterarme auf den Tisch und ließ den Kopf hängen.
Offenbar konnte mich keiner der beiden sehen. Ich war so froh, wieder bei ihnen zu sein, dass mich nicht mal meine eigene Unsichtbarkeit traurig machen konnte.
Balthazar sagte gerade: »… anrufen oder vielleicht einen Brief schreiben. Das könnte die bessere Lösung sein.«
Lucas schüttelte den Kopf. »Die Zelle zieht zu viel herum, als dass man sicher sein könnte, ein Brief werde auch tatsächlich ankommen. Und sie hat ihr Handy bei Mrs. Bethanys Angriff verloren. Du bist vierhundert Jahre alt, und da hast du dir nie die Mühe gemacht, irgendetwas über die Typen herauszufinden, die Jagd auf dich machen?«
Er stichelte, wie er es immer tat, wenn er mit Balthazar redete, aber seine Worte waren lange nicht mehr so scharf. Ihre alte Rivalität war eher ein Reflex geworden.
Balthazar strich mit den Fingerspitzen über die Wand des Weinkellers und zeichnete ein unregelmäßiges Muster nach – eine unbewusste Bewegung. »Aber du hast doch gesagt, dass das Schwarze Kreuz auch E-Mails zurückverfolgt! «
»Ja, aber ich kann wenigstens sicher sein, dass die E-Mail Mom erreicht. Wenn sie etwas weiß – vielleicht auch dann,
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