Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Vampirin war, eine Seltenheit.
Dieser jedoch zuckte einfach nur mit den Schultern. »He, Blut ist Blut. Wen kümmert es, wo es herstammt?«
Oh, verflucht.
In diesem Augenblick ertönte eine Stimme. »Es wird dich schon noch kümmern, wenn es dein Blut ist.«
»Lucas«, rief ich.
Im gleichen Augenblick, in dem ich ihn am anderen Ende der Gasse auftauchen sah, setzte er sich auch schon in Bewegung und rannte geradewegs auf den Vampir zu. Ich war vergessen. Der Vampir drehte sich um und sprang Lucas an, der ihm auswich und ihm stattdessen seine beiden geballten Fäuste in den Rücken drosch, sodass der Vampir mehrere Meter vorwärtstaumelte.
Nun ja, nur weil die Jungs mich vergessen hatten, bedeutete das ja noch lange nicht, dass ich sie ebenfalls vergessen hatte. Ich griff nach einem losen Backstein, der auf dem Bürgersteig herumlag, und warf ihn mit aller Kraft nach dem Vampir. Dank des Trainings beim Schwarzen Kreuz war ich zielsicherer geworden; der Ziegelstein traf ihn mitten ins Kreuz. Er drehte sich zu mir um, und in seinen Augen spiegelte sich gespenstisch die Straßenlaterne wie bei einer Katze.
»Verschwinde«, flehte ich. »Verlass die Stadt freiwillig. Dann müssen wir dich nicht töten.«
Der Vampir fauchte: »Wie kommst du auf die Idee, dass ihr dazu in der Lage sein könntet?«
Lucas stürzte sich auf ihn, und gemeinsam fielen die beiden auf den Bürgersteig. Das ließ die Sache nicht gut für Lucas aussehen: Im Nahkampf war ein Vampir immer im Vorteil, denn schließlich waren seine Fangzähne seine beste Waffe. Ich rannte los und war fest entschlossen, Lucas zu Hilfe zu kommen.
»Du bist stärker als ein gewöhnlicher Mensch«, meinte der Vampir keuchend.
Lucas antwortete: »Und trotzdem bin ich immer noch ein Mensch.«
Der Vampir grinste, und dieses Lächeln passte nicht im Geringsten zu der verzweifelten Lage, in der er sich befand – was das Grinsen allerdings nur noch furchteinflößender machte. »Ich habe gehört, dass jemand nach einer unserer Kleinen sucht«, sagte er mit schmeichelnder Stimme, an Lucas gewandt. »Nach einer der Mächtigen in meinem Clan. Charity heißt die Lady. Schon mal von ihr gehört?«
Charitys Clan . Panik stieg in mir auf.
»Ja, ich habe von Charity gehört. Genauer gesagt: Ich habe sie gepfählt«, entgegnete Lucas, während er versuchte, dem Vampir den Arm auf den Rücken zu drehen. »Glaubst du etwa, ich könnte dich nicht auch mit einem Pflock durchbohren? Dann werde ich dir gleich mal das Gegenteil beweisen. « Allerdings gelang es Lucas nicht, die Oberhand zu gewinnen, denn sie waren einander als Gegner ebenbürtig. Er hatte nicht einmal die Chance, an seine Pflöcke zu kommen. Jede Sekunde konnte sich die Lage wenden, und der Vampir würde Lucas besiegen.
Und das bedeutete, dass ich ihn retten musste – indem ich einen anderen Vampir tötete …
Kann ich das wirklich? Kann ich wirklich einen anderen Vampir pfählen ? Es kam mir so unmöglich vor, so wild und grausam. Aber wenn es der einzige Weg war, Lucas zu retten, dann würde ich den Mut aufbringen können.
Meine Hand zitterte, als ich mich den beiden näherte. Meine Handflächen waren schweißnass, und ich umklammerte den Pflock noch stärker. Wenn ich doch nur einen guten Moment erwischen könnte, um den Schlag so anzubringen, dass …
Angst und Nervosität gesellten sich zu meinem Schwindelgefühl von vorhin, und die Welt begann, sich auf seltsame Weise zu drehen. Ich wurde zwar nicht ohnmächtig, aber ich taumelte und musste mich an der Wand abstützen, um nicht umzukippen. Der Pflock fiel klappernd zu Boden. Ich konnte ihn nicht mehr festhalten.
»Bianca?« Lucas’ Augen wurden vor Entsetzen ganz groß.
Der Vampir ergriff die Gelegenheit und stieß Lucas von sich, sodass dieser stürzte. Entsetzt machte ich einen Satz auf die beiden zu. Wenn der Vampir Lucas noch einmal angreifen würde, würde ich die Kraft finden, ihn von ihm wegzuziehen, koste es, was es wolle. Doch der Vampir war zu klug. Er rannte davon und ließ uns in der Gasse allein zurück.
Lucas kroch zu mir. Ich stützte mich auf Hände und Knie, mitten im Abfall, und das alles stank so entsetzlich, dass ich glaubte, mich übergeben zu müssen. Mein Kopf war zu schwer, als dass ich ihn hätte anheben können. Meine Haarspitzen hingen in einer Pfütze, die ich mir lieber nicht so genau ansehen wollte. »Ich bin in Ordnung«, sagte ich schwach.
»Na klar, das kann ich ja sehen.« Lucas zog mich an sich, sodass ich mich
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