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Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Titel: Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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nicht«, warf ich ein, »und du arbeitest so hart in der Werkstatt!«
    »Dein Leben hat sich stärker verändert als meines, und das wissen wir beide.« Lucas zuckte mit den Schultern. »Ganz im Ernst. Du brauchst eine Pause. Gönn sie dir. Ich werde einige Wochen lang für uns beide sorgen.«
     
    Der Lohn, den er aus der Werkstatt mitbrachte, war nicht gerade üppig. Lucas arbeitete hart und blieb an den Tagen, an denen sie ihn beschäftigten, viele Stunden am Stück dort. Doch sie bezahlten ihn unter der Hand, was bedeutete, dass er weniger als den Mindestlohn bekam. Bislang hatte es gereicht, um unser Essen zu kaufen und die Busfahrten zu bezahlen, und es blieb sogar noch ein winziges bisschen übrig, aber wir hatten noch nicht einmal richtig damit angefangen, das Geld zusammenzukratzen, um Balthazar und Vic das zurückzuzahlen, was sie uns geborgt hatten. Ich hatte damit begonnen, die Zeitung nach Wohngelegenheiten zu durchforsten, die wir würden mieten können, wenn Vics Familie aus Italien zurückkehren würde, aber ich konnte es überhaupt nicht glauben, wie teuer selbst das kleinste Apartment zu sein schien. Und selbst, falls Vic uns den Kram vom Speicher überließe, würden wir Möbel, mehr Kleidung und vielleicht irgendwann sogar ein Auto kaufen müssen. Ich wusste nicht, wie wir das je bewältigen sollten.
    Doch ich sah die Entschlossenheit in Lucas’ Gesicht. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, seine Arbeit gut zu erledigen und für uns zu sorgen, und dafür liebte ich ihn noch mehr als vorher.
    »Nur eine Woche«, sagte ich. Das würde sicher ausreichen, um wieder richtig auf die Beine zu kommen.
    »Lieber anderthalb Wochen. Du wirst doch wohl nicht nächsten Montag anfangen wollen zu arbeiten, oder?«
    Dieser Tag würde mein achtzehnter Geburtstag sein. Ich konnte es nicht glauben, dass ich ihn vergessen hatte und dass Lucas für uns beide daran gedacht hatte.
     
    Die nächste Woche also war ich faul. Ich meine, natürlich gab es manches zu tun, wie Geschirr abzuwaschen und schmutzige Klamotten zusammenzusuchen, damit wir sie am Wochenende zum Waschsalon bringen konnten. Aber an den meisten Tagen, während Lucas in der Werkstatt war, war ich allein und hatte nichts vor. Zum ersten Mal fühlte es sich wie Sommerferien an. Ich ging es locker an, so wie Lucas und ich es vereinbart hatten. Auch wenn ich manchmal spazieren ging, schaute ich mir vor allem tonnenweise DVDs an, las die illustre Mischung von Büchern, die Vic für uns ausgesucht hatte, und schlief viel. Als schließlich vier Tage vergangen waren, ohne dass ich einen neuerlichen Schwächeanfall bekommen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass es keinen Grund mehr gab, sich zu sorgen.
    Doch dann drängte sich mir eines Nachmittags während eines Schläfchens ein Traum auf.
    »Haben diese Träume irgendetwas zu bedeuten?«, fragte ich.
    Der Geist lächelte. »Das wirst du schon irgendwann herausfinden. «
    Wir standen auf dem Dach der Evernight-Akademie. Es war früh am Morgen, neblig und kalt, und ich wusste aus irgendeinem Grund, dass wir nicht allein waren, obwohl ich niemanden außer dem Geistermädchen sehen konnte. Der Himmel über uns war ebenso milchig und grau wie der Nebel unter uns; das einzig Körperliche in der Welt schienen die steinernen Wände der Schule zu sein, die dunkel und sehr real emporragten. Um uns herum lauerten die steinernen Silhouetten der Gargoyles.
    »Also sprichst du durch meine Träume wirklich mit mir«, sagte ich.
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Wir werden uns schon bald wiedersehen. Aber auch ich weiß bislang noch nicht, wann und zu welcher Gelegenheit.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Ich sage dir nicht die Zukunft voraus«, antwortete der Geist. »Du bist diejenige, die sie sieht. Nicht ich.«
    Ich konnte die Zukunft vorhersehen? Das klang alles andere als wahrscheinlich, wenn man sich überlegte, wie oft ich unangenehme Überraschungen erlebte. »Ich denke, dass das nur Träume sind, denen ich keine Beachtung schenken muss.«
    Sie glitt weiter in die Lüfte, und zuerst glaubte ich, dass sie mich abhängen wollte. Erst dann fiel mir auf, dass ich ihr hinterherschwebte. Das Dach war nicht länger unter meinen Füßen, aber das war mir egal.
    Das Geistermädchen schaute zu mir herunter, das Gesicht beinahe unaussprechlich traurig. »Du wirst dich der Wahrheit schon bald genug stellen müssen, Bianca. Die Lügen werden dich nicht länger schützen.«
    Sie stieg schneller hoch, als es mir möglich war,

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