Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
mich auf.
»Lächle für die anderen Leute«, flüsterte er. »Sie sollen denken, dass wir nichts als Kinder sind, die ein bisschen Quatsch machen. Also lächle und lass sie das glauben. Oder wir werden dich zum Schreien bringen.«
Sie waren zu zehnt, und ich war ganz allein. Ich lächelte. In der Nähe des Parks sah ich ein junges Paar mit einem Kindersportwagen. Sie zuckten mit den Schultern und liefen weiter, offenbar beruhigt, dass alles in Ordnung war.
»Lasst sie los!«
Lucas bahnte sich seinen Weg durch die Vampire, als wären sie nur eine Gruppe von Punks. Niemand griff ihn an, aber die Vampire ließen mich auch nicht los. Shepherd sagte: »Wir nehmen sie auf eine Spritztour mit oder erledigen sie hier und jetzt gleich. Du weißt, dass wir das können. Und es wird auch kein Problem sein, dich ebenfalls fertigzumachen. «
Wir hatten keine Pflöcke oder Weihwasser oder sonst irgendeine Waffe. Wir waren hierher gekommen, um meinen Geburtstag zu feiern, nicht um zu kämpfen. Lucas schaute mir in die Augen, und ich konnte sehen, dass ihm klar war, wie ungleich die Chancen verteilt waren.
Shepherd fuhr fort: »Also du hast zwei Möglichkeiten, Jäger. Du kannst mit uns mitfahren, oder du drehst dich um und gehst wie ein braver Junge nach Hause.«
»Lucas, bitte«, flehte ich. »Sie sind doch nur hinter mir her.«
Aber er schüttelte den Kopf. »Wo du hingehst, gehe ich auch hin.«
Sie führten uns um die Ecke in eine etwas weniger belebte Straße und drängten uns in den Laderaum eines Lieferwagens. Einen Augenblick dachte ich an unsere Flucht vom Schwarzen Kreuz, doch jede Hoffnung versiegte augenblicklich. Dieses Mal hatten wir keine Dana, die uns half, und der Fahrerteil des Wagens war komplett abgetrennt von der Metallkiste, in der wir hockten. Als sie die Türen hinter uns zuschlugen, wurde es stockdunkel um uns herum, abgesehen von einigen feinen Linien um den Rahmen der Tür herum.
Früher einmal hatte ich über eine beinahe vollkommene Nachtsicht verfügt, doch auch diese begann ich langsam, aber sicher einzubüßen.
»Komm her, Bianca.« Lucas schlang beide Arme um mich herum, als sich der Wagen stotternd in Bewegung setzte. »Wir müssen uns schnell etwas einfallen lassen, was wir tun wollen, wenn sie die Türen wieder aufmachen.«
»Sie werden noch immer in der Überzahl sein«, antwortete ich. »Und sie werden uns an einen Ort schaffen, an dem sie eine größere Kontrolle über alles haben, als es eben der Fall war.«
»Ich weiß. Aber eben standen unsere Chancen bei Null. Wir müssen hoffen, dass wir in der nächsten Situation mehr Vorteile auf unserer Seite haben.«
Ich wusste zwar nicht, wie das möglich sein sollte, aber ich versuchte, Lucas’ Beispiel zu folgen und wie eine Kämpferin zu denken.
Es schien unglaublich lange zu dauern, bis wir unser Ziel erreichten: ein großes, eingeschossiges Gebäude, das offenbar schon lange leer stand. Augenscheinlich war es früher mal ein Fitnessclub oder eine Turnhalle gewesen. Mehrere Fenster waren zerbrochen, und die Wände waren voller Graffiti. Dieser Bau wartete darauf, niedergerissen zu werden, und anscheinend hatten einige Vampire aus der Tatsache, dass noch nichts geschehen war, Kapital geschlagen.
Sie zerrten uns aus dem Lieferwagen; Lucas und ich waren von jeweils vier Vampiren eingerahmt, einer ging voran, einer folgte uns.
»Auf zum Pool«, sagte Shepherd. Lucas und ich warfen uns einen Blick zu. Ich wusste, dass er mir bedeuten wollte, ich sollte nach allem Ausschau halten, was nach Waffen oder Fluchtmöglichkeit aussah. Mir war zwar nicht klar, wie wir so viele Vampire auf einmal ausschalten sollten, aber wir durften das Ziel trotzdem nicht aus den Augen verlieren.
Der Schwimmbadbereich sah sogar noch heruntergekommener aus als der Rest. Als wir hineingingen, konnte ich erkennen, dass dies der Ort war, den die Vampire für sich ausgewählt hatten. Überall auf dem Boden und den Fenstersimsen standen und lagen Bierflaschen herum, und jede Ecke war zu einem Müllhaufen verkommen. Es roch nach Zigarettenrauch. In der Mitte des Raumes befand sich das Becken selbst, in dem schon lange kein Wasser mehr war. Der verlassene Sprungturm ragte noch immer einsam in die Höhe und hatte Spinnweben angesetzt.
Zuerst glaubte ich, niemand sei dort. Doch dann bewegte sich etwas in der Ecke. Eine zerlumpte Gestalt hatte zusammengerollt auf dem Fußboden geschlafen, und ich hatte sie versehentlich für einen weiteren Müllberg
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