Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
sollst doch ein schönes Geburtstagsgeschenk bekommen. Das verdienst du.«
Da war er wieder, sein Stolz, aber das war nicht alles. Ich konnte nicht mehr mit ihm streiten. Stattdessen schloss ich ihn ganz fest in die Arme.
Er schlang mir das Armband ums Handgelenk. »Bitte schön«, sagte er mit belegter Stimme. »Alles Gute zum Geburtstag. «
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
Die Lichter um uns herum wurden gelöscht, und am »Himmel« über uns leuchteten Tausende funkelnder Sterne auf. Lucas und ich ließen uns in unsere Sessel sinken, hielten Händchen und lauschten dem Vorführer, der uns von Supernovae erzählte. Die Korallen und das Silber schmiegten sich kühl und schwer an mein Handgelenk. Schon jetzt fühlte es sich anders an als alles, was ich besaß; es war, als wäre es ein Teil von mir. Ein Talisman. Eine Verbindung zwischen mir und Lucas, genauso wie die Brosche.
Er will sich um mich kümmern , dachte ich. Er will mich beschützen, koste es, was es wolle.
Die Lügen werden dich nicht länger schützen.
Es war falsch von mir, immer nach Schutz zu suchen und mich darauf zu verlassen, dass Lucas so viele unserer Sorgen allein trug, oder davon abhängig zu sein, was meine Versorgung mit Blut anging. Und es war falsch, sich hinter Lügen zu verstecken. Lucas verdiente eine gleichberechtigte Partnerin in unserem Kampf darum, zusammen zu sein. Das bedeutete, dass er ein Anrecht auf die Wahrheit hatte.
Über uns zoomte die Projektion näher an einen Stern heran, einen trägen Giganten am Ende seines Lebens. Er glühte rot, dunkler als Blut, und seine Gashülle waberte fiebrig wie das Meer während eines Sturmes.
»Lucas«, flüsterte ich und achtete sorgsam darauf, dass meine Stimme so leise war, dass wir niemanden in der Nähe störten. »Ich muss dir etwas sagen.«
Er drehte sich halb zu mir. Der sterbende Stern über uns tauchte Lucas’ Gesicht in Karmesinrot. »Was ist denn?«
»Als ich ohnmächtig geworden bin … während der Jagd … das war nicht das erste Mal.«
Der Stern wurde zur Supernova und explodierte in einer beeindruckenden Kugel weißen Lichts. Einen Moment lang war es taghell im Saal, und ich konnte die Verwirrung und die Sorgen auf Lucas’ Gesicht erkennen, während die Menge um uns herum Ooohhh und Aaahhh machte. »Bianca, was erzählst du mir denn da?«
»Es ging schon vor Wochen los. Ich hatte immer wieder Schwindelanfälle, die anfingen, kurz nachdem ich mich der Zelle des Schwarzen Kreuzes angeschlossen hatte. Sie sind häufiger und schlimmer geworden, und ich will irgendwie auch gar nichts mehr essen. Oder, na ja, trinken. Ich weiß, ich hätte dir das schon früher erzählen sollen. Ich … wollte nur nicht, dass du dir Sorgen machst.«
Lucas öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber dann schloss er ihn wieder. Ich konnte sehen, dass er zwischen Angst und Zorn schwankte. Ich konnte ihm weder das eine noch das andere Gefühl verdenken, aber das machte den Anblick nicht leichter zu ertragen.
Endlich sagte er nur: »Wir stehen das zusammen durch.«
Ich nickte, legte meinen Kopf an seine Schulter und schaute hinauf in den neu entstandenen Sternennebel. Auch wenn ich wusste, dass ich das Problem nicht allein dadurch gelöst hatte, dass ich es Lucas anvertraut hatte, musste ich das Geheimnis wenigstens nicht mehr allein mit mir herumtragen. Jetzt konnte ich meinen Geburtstag so feiern, wie Lucas es sich für mich gewünscht hatte, und ich konnte hinauf zu meinen geliebten Sternen blicken.
Als die Show zu Ende war und die Lichter angingen, führte ich Lucas aus dem Planetarium hinaus, und wir beide blinzelten. »Das war wirklich toll«, sagte ich. »Danke, dass du mich hierhergebracht hast.«
»Ja.« Lucas sah abwesend aus.
»Du kannst dich da gerade gar nicht drauf einlassen, oder?« Als er den Kopf schüttelte und verneinte, seufzte ich: »Na los. Dann lass uns darüber reden.«
Wir traten hinaus in den frühen Abend. Anstatt geradewegs zur Bushaltestelle zu laufen, schlenderten wir die Straße entlang. Es war eine schöne Gegend mit vielen Museen, großen Häusern und hohen, alten Bäumen mit mächtigen Kronen, die sich langsam im Wind wiegten. Unser Weg führte uns in einen Park, wo auch andere Menschen spazieren gingen oder ihre Hunde ausführten.
Das Erste, was Lucas fragte, war: »Bist du ganz sicher, dass du nicht schwanger bist?«
»Ja.« Er warf mir einen beunruhigten Blick zu, und ich schüttelte noch einmal bekräftigend den Kopf.
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