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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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nicht hinweg, und das treibt sie in den Wahnsinn.«
    »Im Grunde ja. Wenn ihr Mörder gefasst wird, dann verschafft es ihnen manchmal das Gefühl von Genugtuung. Vielen hilft das, loszulassen und aufzusteigen.« Christopher sah sehnsüchtig nach oben – nach all dieser Zeit wartete er noch immer darauf, in den Himmel zu kommen. »Aber viele Gewaltverbrecher werden nicht gefasst, und für andere Geister reicht die Genugtuung nicht aus, um die Wunden zu heilen. Diese bleiben für immer auf der Erde und werden kränker und seltsamer, und manchmal werden sie auch gefährlich. Für viele ist es undenkbar, dass sie sich je wieder so weit in den Griff bekommen, dass sie hierhergelangen können. Sie werden ebenso böse wie die Kräfte, die sie zerstört haben.«
    »Ich habe von solchen Geistern gehört«, sagte ich. »Aber ihr anderen, ihr alle hier: Warum seid ihr denn nicht im Himmel? Oder was auch immer hiernach kommt.«
    »Wir sind noch in der Welt der Sterblichen verankert.«
    »Verankert.« Dieses Wort hatte ich in der letzten Zeit häufig gehört. »Was bedeutet das?«
    Christopher führte mich um einen prächtigen, reich verzierten Springbrunnen herum, der möglicherweise aus der Zeit der Renaissance stammte. Doch anstatt fröhlich zu sprudeln, war das Wasser im Innern unbewegt und trübe und von einer dicken Schicht Algen überzogen, die die Steine glitschig glänzen ließen. »Ein Anker ist jemand oder etwas, der oder das dich an die Erde bindet. Die besten Anker sorgen dafür, dass dein Geist gesund bleibt und dein Körper kräftig. Sie können die Quelle von tiefer, ewiger Liebe sein.« Er sah über die Schulter zurück zum Brauseladen, wo wir Maxie zurückgelassen hatten. Ich konnte gerade noch ihre Umrisse sehen; sie saß am Tresen und trank etwas aus einem hohen, eisüberzogenen Glas. »Maxine war kurz davor, die Welt der Sterblichen für immer hinter sich zu lassen, als ein kleiner Junge in ihrem Haus sie aufstöberte und damit begann, ihr Geschichten vorzulesen.«
    »Vic.«
    »Ja. Ihre Liebe zu ihm hat sie wieder mehr an die Erde gebunden – sehr zu ihrem Vergnügen, nehme ich an.« Zum ersten Mal hörte ich eine Spur von Humor in Christophers Stimme. »Auch wenn sie es nicht zugeben wird, so könnte sie ihn doch jederzeit verlassen und darauf vertrauen, dass er ein glückliches, ausgefülltes Leben verbringt. Aber sie hat nun schon achtzig Jahre seit ihrem Tod ausgeharrt; noch zehn weitere Jahre oder mehr machen da keinen großen Unterschied.«
    »Du hast von den besten Ankern gesprochen. Gibt es auch andere, schlechte Anker?«
    »Manchmal ist es keine Liebe, die uns an unsere Anker bindet, sondern Besessenheit. Oder Wahnsinn. Wenn das der Fall ist, dann wird der Geist immer kränker.« Während Christopher sprach, fiel mir der Geist ein, der Raquel heimgesucht und gequält hatte. Ohne Zweifel war das ein Beispiel für den Gemütszustand, den Christopher gerade beschrieben hatte. »Die Gefahr, dass etwas Derartiges passiert, ist so groß, dass selbst Geister wie Maxine und ich, die einen besseren Anker haben, jede Bindung an die Welt der Sterblichen im Grunde für unglückselig halten. Selbst wir hoffen darauf, dass wir eines Tages weitergehen können und uns, so schwer es auch werden wird, von den Menschen, die wir lieben, trennen können.«
    Gerade wollte ich ihn fragen, ob auch ich verankert war, doch ich kannte die Antwort bereits. Lucas, meine Eltern, Balthazar, Vic, Ranulf, Patrice, Raquel – sie alle hielten mich auf dem Teppich, um es mal so zu sagen. Selbst wenn ich sie loslassen könnte, würde ich es nicht wollen. Mir kam ein Gedanke, und ich legte die Stirn in Falten. »Woran hängt dieser ägyptische Typ da hinten?«
    Christopher lächelte. »Er hat dabei geholfen, die Pyramiden zu entwerfen, und ist ziemlich stolz darauf. Ich schätze, er kehrt jeden Morgen gerne nach Gizeh zurück und sieht zu, wie dort die Sonne aufgeht.«
    In der Ferne sammelten sich am Himmel dunkle Wolken, die kurz von einem Lichtstrahl durchschnitten wurden, der ein Blitz gewesen sein konnte. »Okay, ihr wollt mich also gerne hier haben«, sagte ich. »Aber was ist es denn, das mich so mächtig oder besonders oder was auch immer macht? Abgesehen davon, dass ich in der Lage bin, einen Körper auszubilden, meine ich. Auch wenn das schon ganz schön beeindruckend ist.«
    Er sah mich an und wurde wieder sehr ernst. »Du weißt bereits, dass du in all unsere Reiche reisen kannst und dass dir das so viel leichter fällt als

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