Evernight Bd.1 Evernight
Handfläche, und das allein reichte, um mein Herz zum Rasen zu bringen . Wie würde es sein, von ihm in den Arm genommen zu werden?
Am Ende stellte sich heraus, dass ich recht hatte. Cary hatte nur deshalb mit Gift experimentiert, um sich umzubringen und die arme Joan Fontaine so vor seinen vielen Schulden zu bewahren. Sie jedoch beharrte darauf, dass sie schon eine Lösung finden würden, und gemeinsam fuhren sie davon. Lucas schüttelte den Kopf, als die letzte Einstellung vorbei war. »Das Ende ist gefälscht, wusstest du das? Hitchcock wollte ihn als Bösewicht darstellen. Aber das Studio zwang ihn dazu, dass Cary Grant am Ende freigesprochen wird, um die Zuschauer zufriedenzustellen.«
»Das Ende ist nicht gefälscht, wenn es das Ende ist«, beharrte ich. Das Licht ging für die kurze Unterbrechung vor der Spätvorstellung an. »Lass uns irgendwo anders hingehen, okay? Wir haben noch ein bisschen Zeit, ehe der Bus fährt.«
Lucas spähte nach oben, und mir war klar, dass er nichts dagegen hatte, der elterlichen Aufsicht zu entkommen. »Ja, los.«
Wir liefen Rivertons schmale Hauptstraße entlang, und es hatte den Anschein, als wäre jedes einzelne Geschäft, das geöffnet hatte, und jedes Restaurant mit Flüchtigen aus Evernight bevölkert. Schweigend gingen Lucas und ich an ihnen vorbei auf der Suche nach dem, was wir wirklich suchten: einen Ort, an dem wir allein sein würden. Die Vorstellung, dass Lucas ein ungestörtes Plätzchen für uns im Sinn hatte, war ebenso aufregend wie auch ein wenig beängstigend. Die Nacht war kühl, und die Herbstblätter raschelten unter unseren Füßen auf dem Gehweg, während wir beide uns verstohlene Blicke zuwarfen und über belanglose Dinge redeten.
Als wir schließlich an der Bushaltestelle vorbeigelaufen waren, die das Ende der Hauptstraße markierte, fanden wir kurz hinter der Ecke eine alte Pizzeria, die aussah, als wäre sie ungefähr seit 1960 nicht mehr renoviert worden. Anstatt eine ganze Pizza zu bestellen, nahmen wir jeder nur einige Stücke davon mit Käse und Mineralwasser und setzten uns einander gegenüber an einen abseits stehenden Tisch mit einer rot-weiß karierten Decke und einer Chiantiflasche, die dick mit dem Wachs etlicher Tropfkerzen bedeckt war. In der Ecke spielte eine Jukebox Elton-John-Lieder aus der Zeit, bevor wir geboren waren.
»Ich mag solche Orte«, sagte Lucas. »Sie fühlen sich so wirklich an, nicht als ob irgendeine Restaurantkette sich überlegt hat, wie jeder einzelne Zentimeter aussehen soll.«
»Ja, ich mag das auch.« Ich hätte Lucas zusätzlich gern gesagt, dass ich gerne Auberginen auf dem Mond essen würde, wenn ihm das Spaß machen sollte. Aber in diesem Fall hatte ich die Wahrheit gesagt. »Man kann sich hier entspannen und ganz bei sich selbst sein.«
»Sei bei mir.« Lucas lächelte abwesend, als ob er im Stillen an etwas Komisches dachte. »Das könnte leichter sein.«
Ich wusste, was er meinte.
Wir waren fast ungestört in der Pizzeria; am einzigen anderen besetzten Tisch saßen vier Männer, die anscheinend von einer Baustelle gekommen waren, denn ihre T-Shirts waren voller Gipsstaub, und einige leere Biergläser bewiesen, dass sie bereits gründlich ihren Durst gelöscht hatten. Sie lachten lauthals über ihre eigenen Witze, aber das störte mich nicht, denn es gab mir einen Grund, mich weiter über den Tisch und somit näher zu Lucas zu beugen.
»Also, Cary Grant«, begann Lucas und würzte sein Stück Käsepizza mit rotem Pfeffer. »Das ist also dein Traumtyp, ja?«
»Er ist sozusagen der König unter den Traumtypen, oder nicht? Ich finde ihn toll, seitdem ich ihn in dem Film Die Schwester der Braut gesehen habe. Da war ich unge fähr fünf oder sechs.«
Man sollte meinen, dass Lucas als Filmfan mir zustimmen würde, aber das tat er nicht. »Die meisten Mädchen an der Highschool würden für Typen schwärmen, die jetzt noch Filme machen. Oder für Fernsehstars.«
Ich biss ein Stück Pizza ab und kämpfte einige Augenblicke lang mit einem Käsefaden. Als ich endlich alles in den Mund befördert hatte, murmelte ich: »Ich mag eine Menge Schauspieler, aber wer könnte Cary Grant nicht am meisten lieben?«
»Auch wenn ich dir völlig zustimme, dass es tragisch ist, kann man es doch leider nicht leugnen: Viele Leute in deinem Alter haben noch nie etwas von Cary Grant gehört.«
»Das ist skandalös.« Ich versuchte, mir Mrs. Bethanys Gesicht vorzustellen, wenn ich ein Wahlfach »Filmgeschichte« anregen
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