Evernight Bd.1 Evernight
ich gemeinsam nach Riverton fahren würden. Weiter hatte ich dazu nichts gesagt aus Angst, dass sie völlig geschockt sein würden, aber sie hatten auch so genug begriffen, um zu meiner Überraschung und Erleichterung nicht weiter in mich zu dringen. Stattdessen hatten sie sich Blicke zugeworfen und gegen ihre ursprünglichen Regungen anzukämpfen versucht. Wahrscheinlich war es seltsam, wenn das eigene »Wunderbaby« plötzlich alt genug war, um mit jemandem auszugehen. Dad bemerkte mit ruhiger Stimme, dass Lucas ein guter Kerl zu sein schien, und fragte mich dann, ob ich noch mehr Makkaroni mit Käse wolle.
Um es kurz zu machen: Egal, was für eine überbesorgte Reaktion Lucas erwartete, sie blieb aus. Mum sagte lediglich: »Für den Fall, dass ihr uns aus dem Weg gehen wollt - und ich könnte mir vorstellen, dass ihr das wollt -: Wir werden uns auf die Empore setzen, wo es die meisten Schüler hinziehen wird.«
Dad nickte. »Emporen sind eine furchtbare Versuchung, und sie üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Teenager und Drinks in ihren Händen aus. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen.«
Mit unbewegter Miene entgegnete Lucas: »Das mit der Anziehungskraft habe ich mal in der Unterstufe in Physik gehabt.«
Meine Eltern lachten. Ich genoss das warme Gefühl der Erleichterung, das mich durchströmte. Sie mochten Lucas, und vielleicht würden sie ihn mal sonntags zum Abendbrot einladen. Es war schon so weit, dass ich mir Lucas in allen passenden Lebenslagen an meiner Seite vorstellen konnte.
Lucas wirkte nicht ganz so entspannt - seine Augen waren wachsam, als er mich in den Vorraum zum Kino führte -, aber ich schätzte mal, dass dies die ganz normale Reaktion eines Jungen auf Eltern war.
Wir suchten uns Plätze unter der Empore, wo Mum und Dad uns unmöglich sehen konnten. Lucas und ich saßen so nahe beisammen, dass unsere Körper beinahe gegeneinanderlehnten, und meine Schulter und mein Knie stießen an seine.
»So was habe ich noch nie gemacht«, sagte er.
»Du bist noch nie in ein altmodisches Kino gegangen?« Ich musterte bewundernd die vergoldeten, gedrechselten Säulenvorsprünge an den Wänden und der Empore und den dunkelroten Samtvorhang. »Wirklich wunderschön.«
»Das meine ich nicht.« Trotz all seiner Aggressivität konnte Lucas gleichzeitig beinahe verlegen wirken, aber das geschah nur, wenn er mit mir sprach. »Ich bin noch nie in ein Kino gegangen… nur um mit einem Mädchen zusammen zu sein.«
»Dann ist das auch deine erste Verabredung?«
» Verabredung - sagt man das immer noch so?« Mir wäre das peinlich gewesen, wenn er mich nicht gleichzeitig spielerisch mit dem Ellbogen angestoßen hätte. »Ich meine, ich war noch nie so mit jemandem zusammen. Einfach so rumzuhängen, ohne jeden Druck oder das Wissen, dass ich in ein oder zwei Wochen wieder umziehen muss.«
»Klingt so, als wenn du dich nie irgendwo richtig zu Hause gefühlt hättest.«
»Bis jetzt nicht.«
Ich warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Du fühlst dich ausgerechnet in Evernight zu Hause?!«
Langsam schlich ein breites Grinsen über Lucas’ Gesicht. »Ich meinte nicht Evernight.«
In diesem Moment ging Gott sei Dank das Licht aus. Ansonsten hätte ich irgendetwas Dummes gesagt, anstatt einfach den Moment zu genießen.
Verdacht war einer der Cary-Grant-Filme, die ich noch nicht gesehen hatte. Diese Frau, Joan Fontaine, hatte Cary geheiratet, obwohl er leichtsinnig war und zu viel Geld ausgab. Und sie tat es, weil er nun mal Cary-Wahnsinn-Grant war, warum es auch dann lohnend erschien, wenn ein paar Mäuse dabei draufgingen. Lucas war davon nicht überzeugt.
»Du findest es nicht komisch, dass er sich mit Gift beschäftigt?«, flüsterte Lucas. »Wer, bitte schön, beschäftigt sich denn in seiner Freizeit mit Gift? Gib wenigstens zu, dass das ein sonderbares Hobby ist.«
»Niemand, der so aussieht, kann ein Mörder sein«, beharrte ich.
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du den Menschen vielleicht zu schnell vertraust?«
»Halt den Mund.« Ich stieß Lucas den Ellbogen in die Seite, woraufhin Popcorn aus unserer Tüte rieselte.
Mir gefiel der Film, aber noch mehr gefiel es mir, so nah neben Lucas zu sitzen. Es war erstaunlich, wie er sich verständigen konnte, ohne irgendetwas zu sagen, wie er mir einen amüsierten Blick von der Seite zuwarf oder, als sich unsere Hände berührten, wie beiläufig seine Finger mit meinen verschränkte. Mit dem Daumen beschrieb er kleine Kreise in meiner
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