Evernight Bd.1 Evernight
auf Lucas, aber es war ganz offensichtlich, dass die Situation gerade außer Kontrolle geriet. »Es ist toll, dass ihr… hm… auf Frauen aufpasst - ehrlich, das ist es -, aber hier gibt es kein Problem.«
»Halt dich da raus«, sagte Lucas mit leiser Stimme. Etwas schwang darin mit, das ich noch nie zuvor gehört hatte, eine beinahe unnatürliche Intensität. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
»Sie geht euch nichts an.«
»Denkst du vielleicht, sie würde dir gehören, oder was? Dass du sie behandeln kannst, wie es dir in den Kram passt? Du erinnerst mich an das Schwein, das meine Schwester geheiratet hat.« Der Bauarbeiter sah noch wütender als vorher aus. »Wenn du denkst, ich würde dir nicht das Gleiche wie ihm verpassen, dann bist du schief gewickelt, mein Kleiner.«
Verzweifelt sah ich mich nach einem Kellner oder dem Restaurantbesitzer um. Nach meinen Eltern. Raquel. Eigentlich hoffte ich auf überhaupt irgendjemanden, der die Sache beenden würde, ehe diese betrunkenen Bauarbeiter Lucas zu Brei schlagen würden, denn sie waren riesig, zu viert und inzwischen ganz augenscheinlich alle scharf auf einen Kampf.
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Lucas als Erster zuschlagen würde.
Er bewegte sich zu schnell, als dass ich es hätte kommen sehen. Ich sah nur eine verschwommene Regung, und schon taumelte der Bauarbeiter rückwärts gegen seine Kumpels. Lucas’ Arm war ausgestreckt, seine Faust ge ballt, und ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen: O mein Gott, er hat gerade jemandem einen Faustschlag versetzt.
»Zur Hölle!« Einer der anderen Männer stürzte sich auf Lucas, doch der wich ihm so blitzschnell aus, als ob er in einem Moment noch da und im nächsten verschwunden wäre. Stattdessen hatte er sich in eine so günstige Position gebracht, um seinen Gegner derartig heftig wegstoßen zu können, dass ich glaubte, er würde zu Boden gehen.
»Hey!« Ein Mann über vierzig mit einer fleckigen Schürze kam in den Gastraum. Mir war es völlig egal, ob es der Besitzer, der Chefkoch oder sonstwer war - ich war in meinem ganzen Leben noch nie so froh gewesen, irgendjemanden zu sehen. »Was ist denn hier los?«
»Es gibt kein Problem!« Okay, das war gelogen, aber das spielte keine Rolle. Ich stand vom Tisch auf und machte mich auf den Weg zur Tür. »Wir wollten gerade gehen. Alles vorbei.«
Die Bauarbeiter und Lucas starrten einander an, als ob sie nichts lieber wollten, als den Kampf nun so richtig auf Hochtouren zu bringen, aber glücklicherweise kam Lucas mir nach. Als die Tür hinter uns zuschlug, konnte ich hören, wie der Besitzer etwas über die Kids dieser verdammten Schule knurrte.
Kaum waren wir auf der Straße, wandte sich Lucas mir zu. »Alles okay mit dir?«
»Nein, ganz und gar nicht!« Rasch lief ich zurück in Richtung Hauptstraße. »Was ist denn in dich gefahren? Du hast völlig ohne Grund eine Schlägerei mit diesem Typen angefangen.«
»Er hat angefangen.«
»Nein, er hat mit dem Streiten angefangen. Du hast den Kampf eröffnet.«
»Ich wollte dich beschützen.«
»Das wollte er auch. Vielleicht war er betrunken und ein Großkotz, aber er wollte nichts Böses.«
»Du verstehst nicht, was für eine gefährliche Welt das ist, Bianca.«
Wann immer Lucas bisher so mit mir geredet hatte, als wäre er viel älter als ich und wolle mir etwas beibringen und mich beschützen, hatte ich mich tief im Innern warm und glücklich gefühlt. Jetzt machte es mich wütend. »Du tust so, als wenn du alles wüsstest, und dann benimmst du dich wie ein Idiot und fängst eine Prügelei mit vier Typen an! Und ich habe auch gesehen, wie du gekämpft hast. Das war wohl kaum das erste Mal.«
Lucas war neben mir gelaufen, aber seine Schritte wurden nun langsamer, als ob er geschockt wäre. Ich begriff, dass er vor allem geschockt war, weil ich es herausgefunden hatte. Ich hatte recht. Lucas war schon vorher in solche Kämpfe verwickelt gewesen, und zwar mehr als einmal.
»Bianca …«
»Erspar es dir.«
Ich hob abwehrend die Hand, und schweigend liefen wir zurück bis zum Bus, der bereits von Schülern umringt war, die meisten mit Einkaufstüten oder Getränkeflaschen in der Hand.
Lucas ließ sich auf den Sitz neben mir sinken, als hoffte er noch immer, dass wir miteinander reden würden, aber ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster. Vic warf sich auf den Platz vor uns und blökte: »Hey, Leute, wie war’s?« Dann sah er unsere Gesichter. »Hey,
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