Evernight Bd.1 Evernight
wusste, wie sie sich fühlten.
Vic überließ Lucas großmütig seinen Platz, als dieser sich endlich bis zu mir durchgewühlt hatte, aber man konnte nicht behaupten, dass das der Startschuss für unsere Verabredung war.
Wir waren von Mitschülern umzingelt, die allesamt lachten, sich unterhielten und einander etwas zuriefen; so erleichtert waren sie darüber, endlich das bedrückende Schulgelände hinter sich gelassen zu haben. Raquel saß einige Reihen entfernt und sprach angeregt mit ihrer Zimmergenossin; anscheinend hatte ich ihre Ängste zerstreuen können, wenigstens erst mal. Einige Leute warfen neugierige Blicke in meine Richtung, und man konnte sie nicht eben als freundlich bezeichnen. Offensichtlich hielt man mich noch immer für einen Teil der angesagten Gruppe, was ebenso komisch wie falsch war. Vic kniete auf dem Sitz vor uns und schien vorzuhaben, uns alles über die E-Gitarre zu erzählen, die er sich in der Stadt in einem Musikgeschäft, das lange geöffnet hatte, kaufen wollte.
»Was willst du denn mit einer E-Gitarre?«, rief ich über den Geräuschpegel hinweg, während wir die Straße in Richtung Stadt entlangholperten. »Sie werden dich auf keinen Fall in deinem Zimmer darauf spielen lassen.«
Vic zuckte mit den Schultern und grinste breit. »Mann, es reicht doch, sie mir anzugucken. Zu wissen, dass ich etwas so Tolles besitze. Das wird mich jeden Tag zum Strahlen bringen.«
»Du grinst doch eh ständig. Du lächelst sogar im Schlaf.« Obwohl es so klang, als ob Lucas Vic aufzog, war mir doch klar, dass er ihn tief im Innern mochte.
»Das ist die einzig wahre Art zu leben.«
Vic war das komplette Gegenteil eines Evernight-Typs, deshalb beschloss ich, ihn ebenfalls zu mögen. »Und was hast du vor, während wir im Kino sind?«
»Die Stadt erkunden. Wandern. Die Erde unter mei nen Füßen spüren.« Vic wackelte mit den Augenbrauen. »Vielleicht gibt es auch ein paar heiße Schnitten in der Stadt.«
»Dann solltest du die E-Gitarre vielleicht später kaufen«, riet ihm Lucas. »Ist doch nur hinderlich, wenn du die ganze Zeit das Ding mit dir rumschleppen musst.« Vic nickte mit ernster Miene, und ich grinste hinter vorgehaltener Hand.
Und so waren Lucas und ich gar nicht richtig allein miteinander, bis wir die Hauptstraße von Riverton entlangschlenderten und nur noch einen Block vom Kino entfernt waren. Wir strahlten beide, als wir sahen, was gezeigt wurde.
» Verdacht «, sagte er. »Und Alfred Hitchcock ist der Regisseur. Er ist ein Genie.«
»Und Gary Grant spielt mit.« Als Lucas mir einen Blick zuwarf, fügte ich hinzu: »Du hast deine Prioritäten, ich meine.«
In der Eingangshalle lungerten noch ein paar andere Schüler herum. Vermutlich hatte das weniger damit zu tun, dass Gary Grant plötzlich wieder beliebt war, sondern mit der Tatsache, dass Riverton ansonsten wenig Zerstreuung bot. Trotz der anderen freuten Lucas und ich uns auf den Film… zumindest bis wir sahen, wer als Aufsicht fürs Kino abgestellt worden war.
»Glaubt mir«, sagte Mum, »uns gefällt das ebenso wenig wie euch.«
»Wir waren ganz sicher, dass ihr etwas essen gehen würdet.« Dad hatte Mum den Arm um die Schultern gelegt, als ob es deren Date und nicht unseres wäre. Wir standen vor einer Wand mit Kinoplakaten in der Eingangshalle, und Joan Fontaine starrte uns entgegen, als ob sie über meine Zwangslage und über ihre eigene entsetzt wäre.
»Das ist der Grund, warum wir beschlossen haben, hier aufzupassen. Den Schnellimbiss hat jemand anders übernommen.«
Aufmunternd fügte Mum hinzu: »Ist noch nicht zu spät für Pfannkuchen irgendwo. Wir wären auch nicht beleidigt.«
»Schon in Ordnung.« Natürlich war es nicht okay, bei meiner ersten Verabredung meine Eltern dabeizuhaben, aber was sollte ich schon sagen? »Es hat sich herausgestellt, dass Lucas alte Filme auch so mag wie ich, also … uns macht das nichts, oder?«
»Nein.« Lucas sah nicht so aus, als ob es ihm nichts ausmachen würde. Irgendwie schien er noch mehr aus der Fassung gebracht zu sein als ich.
»Es sei denn, du magst Pfannkuchen«, fügte ich hinzu.
»Nein. Ich meine: Ja, ich mag Pfannkuchen, aber die alten Filme mag ich noch lieber.« Er hob das Kinn, und es wirkte beinahe, als ob er meine Eltern herausfordern wollte, ihn noch weiter einzuschüchtern. »Wir bleiben.«
Anstatt nun anzufangen, ihn wirklich einzuschüchtern, grinsten meine Eltern nur.
Ich hatte ihnen letzten Sonntag beim Abendbrot erzählt, dass Lucas und
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