Evernight Bd.1 Evernight
deiner.« Etwas, das in meiner Brust zu fest angespannt gewesen war, löste sich endlich, und ich konnte wieder tief einatmen. Solange Lucas so fühlte, würde alles gut werden. »Haben dir deine Eltern oder Mrs. Bethany gesagt, du sollst das tun?«
»Dich beißen?«
»Das ist mir schon klar. Ich meine: mir von der Schule berichten?«
»Ganz im Gegenteil. Sie wollten, dass ich dich anlüge, was der Grund dafür ist, dass ich das anfänglich auch tat.« Ich schämte mich immer noch deswegen. »Es tut mir leid, Lucas. Ich dachte, es wäre für uns beide das Sicherste, wenn ich bei der Geschichte bliebe, die sich Mrs. Bethany bezüglich der Stunden ausgedacht hat, an die du dich nicht erinnern kannst.«
»Das ist seltsam. Ich erinnere mich doch dieses Mal daran, dass du mich gebissen hast, aber es ist verschwommen. So, wie man sich manchmal fünf Minuten nach dem Aufwachen nicht mehr richtig entsinnen kann, was man geträumt hat. Wenn du nicht die ganze Zeit bei mir gewesen wärest und mich wach gehalten hättest, dann hätte ich vermutlich auch diesmal alles vergessen. Man sollte doch meinen, dass es einem im Gedächtnis bleibt, wenn man von einem Vampir gebissen wird. Ist ja schließlich nicht gerade alltäglich.«
»Das Vergessen ist Teil des Bisses. Ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht weiß das niemand. Gibt ja schließlich keine wissenschaftlichen Erklärungen für Vampire.«
Lucas atmete tief ein und stemmte sich auf die Ellbogen, bis er schließlich saß. Ich legte ihm meinen freien Arm um die Schulter, aber er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich bin wieder fit.«
»Nun weißt du jedenfalls, warum ich mich manchmal, nun ja… zurückhalten muss, wenn wir uns küssen.«
»Ja, jetzt verstehe ich es.« Sein Lächeln sah komisch aus. »Das ist eigentlich ganz beruhigend. Ich hatte schon geglaubt, ich müsste mir mal ein neues Mundwasser zulegen.«
Ich kicherte und küsste ihn auf die Wange. »Mach dir keine Sorgen. Ich habe dich nicht in einen Vampir verwandelt.«
»Ich weiß. Ich meine, mein Herz schlägt. Ich bin also kein Vampir.«
Lucas zog sein Taschentuch heraus und presste es sich gegen den Hals. Als er die Wunde berührte, zuckte er zusammen. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du als Vampirin geboren wurdest. Davon habe ich noch nie gehört.«
»Wie hättest du auch davon hören können, bevor du überhaupt wusstest, dass es Vampire gibt?«
»Guter Punkt.«
»Ich werde dich nie wieder beißen, es sei denn, du bittest mich darum.«
»Das glaube ich dir.« Lucas lachte, und es war ein seltsamer Klang, als lache er sich aus irgendeinem Grund, den ich nicht verstand, selber aus. »Ich glaube dir voll und ganz. Selbst jetzt noch.«
Ich nahm ihn fest in den Arm. Dass Lucas das sagte, nachdem er erfahren hatte, wie ich ihn angelogen hatte, war mehr, als ich je zu hoffen gewagt hätte.
Lucas half mir, ihn so sorgfältig zu verbinden, dass niemand etwas bemerken würde, solange er sein Uniformhemd anbehielt. Wir stiegen wieder hinunter und schafften es gerade noch rechtzeitig vor der Ausgangssperre. Am Durchgang zu den Jungenschlafräumen küsste er mich flüchtig und lief davon, ohne dass ihm anzumerken gewesen wäre, dass dieser Abend anders als die übrigen gewesen war.
»Du benimmst dich seltsam«, sagte Raquel an diesem Abend, als wir uns an den Waschbecken die Zähne putzten. »Ich weiß, dass die Stimmung zwischen dir und Lucas angespannt gewesen ist. Ist jetzt alles wieder in Ordnung?«
»Alles bestens zwischen uns. Wir hatten über die Ferien eine Art Missverständnis, aber jetzt haben wir alles ausgeräumt.« Das Verhalten, das Raquel an mir »seltsam« gefunden hatte, war der Versuch, mich so von ihr wegzudrehen, dass sie nicht sehen konnte, dass die Zahnpasta, die ich ausspuckte, rosa von Lucas’ Blut war. »Wie geht es denn dir?«
»Mir? Prächtig.« Sie sagte das so vergnügt, dass ich sie überrascht anstarrte. Raquel lachte. »Entschuldige. Aber jetzt, wo Erich weg ist, kommt mir Evernight wieder halbwegs erträglich vor.«
»Wirklich? Du solltest dich mal hören! Nächstens wirst du noch Evernights einzige Cheerleaderin werden.«
»Erstens: Wenn du mich jemals wieder Cheerleaderin nennst, werde ich den Boden mit dir aufwischen«, sagte Raquel, der noch immer die Zahnbürste im Mund steckte. »Zweitens: Es dürfte nicht besonders aufregend sein, für eine Schule zu jubeln, deren einzige Sportarten Reiten und Fechten sind. Ernsthaft, als wären wir im
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