Evers, Horst
gesamten deutschsprachigen Raum besucht. Es gibt wohl, wenn überhaupt, nur
wenige Menschen, die so viele verschiedene Weihnachtsmärkte besichtigen
konnten und noch in der Lage und vor allen Dingen auch willens sind, über das
Erlebte Zeugnis abzulegen. Tatsächlich konnte ich mittlerweile feststellen,
dass Weihnachtsmärkte generell eine relativ ähnliche innere Ordnung haben. Die
Kenntnis dieses grundsätzlichen strukturellen Aufbaus der Weihnachtsmärkte
ermöglicht es mir, mich selbst auf den größten und unübersichtlichsten
Weihnachtsmärkten sehr schnell und sicher zurechtzufinden. Das ist eine schöne
Fähigkeit und ein wirklich nicht zu unterschätzender Vorteil. Selbst auf dem
weltweit wohl größten und berühmtesten Weihnachtsmarkt, dem Christkindlesmarkt
in Nürnberg, erkenne ich praktisch auf den ersten Blick die genaue Position und
auch den schnellsten Weg zu den Toiletten. Das ist eine sehr wichtige,
bedeutsame Information. Wie bedeutsam, wird in vollem Umfang spätestens nach
Einbruch der Dunkelheit klar, wo man sich immer wieder wünscht, alle Besucher
des Christkindlesmarktes hätten auf einen Blick oder zumindest doch ausreichend
schnell erkannt, wo hier die Toiletten sind.
Schon
dieses kleine Beispiel lässt erahnen: Auch bei Weihnachtsmärkten gilt, wie
wohl bei allem im Leben: Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Und leider
irrt Bertolt Brecht eben doch, wenn er behauptet, die im Dunkeln sähe man
nicht. Auf Weihnachtsmärkten oder am Rande der Weihnachtsmärkte sieht man sie
sehr wohl, und nicht immer ist es ein Anblick, der das Leben oder auch nur den
Abend wirklich bereichert.
Doch
möchte ich lieber von der leuchtenden Pracht der Weihnachtsmärkte berichten.
Dem Besonderen, denn jeder Weihnachtsmarkt hat auch seine ganz eigene,
exklusive Note, häufig sogar eine Spezialität, für die er in der ganzen Welt
berühmt ist: In Nürnberg gibt es die Lebkuchen, in Dresden den Stollen, in Chemnitz
die Schnitzereien, in Aachen die Printen und in Spandau auf die Fresse. Aber
auch die kleineren Weihnachtsmärkte haben durchaus ihre Spezialitäten ...
Die schönsten
Weihnachtsmärkte der Welt
Folge 53:
Die Weihnachtswurst von Nordenham
Auf dem Weihnachtsmarkt
von Nordenham gibt es genau drei Buden. Rosis Glühweinstation, Ewalds Original
Berliner Waffeln und Wurst-Didi. An der Bude von Wurst-Didi hängt eine
Werbetafel: «Was wäre Weihnachten ohne die Weihnachtswurst von Wurst-Didi?» Das
ist eine wirklich gute Frage. Da habe ich so noch gar nicht drüber nachgedacht.
Die
Weihnachtswurst von Wurst-Didi ist im Prinzip eine ganz normale Currywurst, nur
dass über den Ketchup dann nochmal zwei bis drei gehäufte Esslöffel
Lebkuchengewürz, Zimt und wohl auch so etwas wie Goldstaub gestreut werden.
Doch zurück zur Ursprungsfrage: Was also wäre Weihnachten ohne die
Weihnachtswurst von Wurst-Didi? Ein kleines bisschen schöner, denke ich.
Eigentlich
wollte ich gar keine Wurst, ich hatte Pommes bestellt, aber Wurst-Didi konnte
mich nicht verstehen, weil es neben den drei Buden noch eine vierte Attraktion
auf dem Nordenhamer Weihnachtsmarkt gibt: Die Kunsteisbahn oder, genauer
gesagt, das Eislaufzelt, das von einem kleinen, verbitterten, luftgetrockneten
Mann betrieben wird, der offensichtlich Weihnachten oder Nordenham oder beides
oder sogar die ganze Welt hasst. Zumindest dröhnt aus seinen bis zum Anschlag
aufgedrehten Boxen ununterbrochen Musik von der Gruppe Scooter, eben in einer
Lautstärke, die jegliche Kommunikation bis weit über den Marktplatz hinaus
unmöglich macht und die letztlich auch dazu führt, dass ich jetzt Wurst-Didis
Weihnachtswurst essen muss. Offen gestanden weiß ich gar nicht, ob die
Musikstücke wirklich alle von Scooter sind. Erkannt habe ich nur das Stück, wo
H. P. Baxxter immer «Hyper! Hyper!» brüllt. Wobei alle anderen Stücke aber
quasi genauso klingen, nur eben ohne «Hyper! Hyper!»; also selbst wenn die
eventuell nicht original von Scooter sind, dann sind sie doch zumindest sehr
scooteresk.
Nordenhamer
sind keine auf diesem Weihnachtsmarkt. Außer mir ist überhaupt kein Besucher
auf diesem Weihnachtsmarkt. An einem Adventssamstagnachmittag. Fühle mich den
vier Attraktionen gegenüber irgendwie verpflichtet. Die muss ich jetzt alle
vier ganz alleine durchbringen. Kaufe auch eine Waffel und einen alkoholfreien
Glühwein mit Schuss. Gerne hätte ich mit Glühwein-Rosi ein wenig über den Sinn
oder Unsinn von alkoholfreiem Glühwein mit Schuss
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