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Evgenia Ivanovna

Evgenia Ivanovna

Titel: Evgenia Ivanovna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonid Leonow
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Taxierungsprozedur durch den Kunden enthoben war. Die Mädchen wurden nach Album ausgesucht und in Wagen abgeholt, Dauer des Ausflugs je nach aufgewendeter Summe. Jede Schäferstunde nahm sich aus wie ein galantes Abenteuer, wie diese Mesopotamienreise. Da lief es Shenja eisig den Rücken hinab, und keine Macht der Welt hätte ihre eisern geklammerten Finger vom Geländer lösen können. Als sie es entkräftet losließen, folgte sie dem Engländer mehr tot als lebendig die Treppe hinab. Nicht, weil sie dem schlauen Rat der Wirtin gehorcht hätte, als vielmehr in dem heißen Wunsch, es ein letztes Mal mit Vertrauen zu einem Menschen und zum Schicksal zu versuchen. Ihre Kajüten lagen jeweils am anderen Ende des Ganges. Allein mit sich, heulte Shenja los in der halben spröden Gewißheit, niemand stoße sie nun mehr, immer mit dem Besen, mit dem Besen, auf jenen letzten Spalt zu, zu Anotschka.
     
    Es gibt keine bessere Seelenmedizin, als dem Wellensäuseln an der Bordwand nachzulauschen und müßig nach fernen Stagsegeln zu schauen, die in der frischen Brise glänzen, an Wind vollgefressen wie satte Pferde, und ihre Fischerboote durch weiße Schaumkämme ziehen. Wäre das Schicksal doch mit einem bißchen Pech zu bewegen gewesen, seine Quittung etwas später vorzulegen, quälte und plagte sich Evgenia Ivanovna, die die sich häufenden Glücksfälle immer mehr entsetzten. Jede kleinste Freude berauschte sie wie ein Rum auf nüchternen Magen. Rum hatte ihr verstorbener Mann, selber betrunken, eines Tages nach Hause gebracht, seiner verheulten Shenja kurzerhand an die Lippen gesetzt und ihr zugeredet, sie möge gleich aus der Flasche trinken, um zu vergessen. Übrigens, auf der Fahrt nach Alexandrien sah sie ihn öfters an Deck, den toten Stratonow, zuweilen auch in Gegenwart ihres Chefs. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln, beobachtete sie aus ihrem Innern heraus – mit eher traurigen als eifersüchtigen Blicken. Ach, Goga, Goga, rügte sie, ihre Gedanken verhehlend, seinen Kleinmut, das Leben ist so wunderschön, warum hast du so früh kapituliert? Allerdings rügte sie ihn nicht, um ihn zu neuer gemeinsamer Hungerei aus dem Grabe zu holen, vielmehr suchte sie ihn zu bestechen mit der Großmut ihrer Unschuld, falls er nach Art der Toten schlau an seinen alten Platz zurückkehren wollte. Sie war die Armut leid und auch das Grübeln, wie sie aus dieser Teufelsfalle des Lebens möglichst schmerzlos herauskommen könnte.
    Es hätte kürzere und billigere Routen nach Mesopotamien gegeben, indessen wollte der Professor Freunden in Theben einen Ferienbesuch abstatten. Insgeheim fühlte er sich zur Ägyptologie berufen. Schon seit einem halben Jahr brachte die Presse laufend sensationelle Berichte von einem Königsgrab aus der El-Amarna-Zeit, das bei Luksor entdeckt worden war. Dem Archäologen ließ es keine Ruhe, bis er diesen einzigartigen Fund, der seine eigenen Niniveer Ausgrabungen in den Schatten stellte, in Augenschein genommen und den nun berühmten Kollegen zum glänzenden Erfolg seiner gelehrten Hypothese beglückwünscht hatte. In der Grabstätte des Tut-ench-Amun lernte Evgenia Ivanovna diese fanatische Leidenschaft des Archäologen besser verstehen. Überhaupt machte es ihr schon Spaß, in menschliche Vergangenheit zu spähen und die wirren Gesetze vom Aufstieg und Niedergang der Zivilisation auf Mannesart zu entdecken. Auf der Weiterfahrt führte der Professor seine Begleiterin in die letzten Mysterien der umliegenden Länder ein. Da er der weitverbreiteten Meinung anhing, Zeit sei die beste Arznei, hielt er Shenja gleichsam eine Vorlesung über die Ewigkeit, als ob Herzenskummer zu verwinden sei, sobald der Verstand sagt, das sei alles schon mal dagewesen. In Form amüsanter Novellen bot er den halben Universitätslehrstoff dar, die Geschichte Hellas', des frühen Christentums und der Levante, auf die sie, von Ägypten kommend, nun Kurs nahmen.
    Pickerings Ansehen als Literat und Redner stand seinem Ruf als Sonntagskind keineswegs nach. Er hatte eine unheimlich glückliche Hand bei Funden wie überhaupt in jeder Art Lotterie. Allein seine Vorlesung, voll Gelehrsamkeit und Poesie, über die mumifizierte Biene im Totenkranz der Prinzessin Amenerdis ging durch sämtliche Lehrbücher des Westens, da sie das Ägypten der xxv. Dynastie erschöpfender schilderte als so manch vielbändiges Standardwerk. Indessen hatte ihn wohl noch kein Auditorium so beseelt reden hören wie die langhalsige schüchterne Brünette

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