Evil - Das Böse
fehlt, weil Dachs und Fuchs sich daran bedient haben. Aber der Ring ist nur das eine. Das andere sind deine Zähne. Es wird gar nicht so leicht sein, alle deine Zähne herauszukriegen. Aber zu dem Zeitpunkt wirst du schon nichts mehr spüren. Was glaubst du, was sie in der Schule sagen werden, wenn du einfach verschwindest?«
Silverhielm konnte fast nicht mehr sprechen. Bald würde alles vorbei sein.
»Na, Silverhielm, nun sag schon. Was werden sie sagen, wenn du eine Woche vor dem Abi einfach verschwindest? Dass du deprimiert warst, dass du durchgebrannt bist, dass du dem Druck nicht mehr gewachsen warst, dass du gedacht hast, deine Noten könnten zu schlecht ausfallen, obwohl dein Alter allen Wohnhäusern hier zum Gedenken an das Abitur seines Sohnes einen Fernseher geschenkt hat? Na, was werden sie wohl sagen?«
Mit großer Mühe brachte Silverhielm eine Antwort heraus.
»Die . alles auf meinem Zimmer ist doch unberührt . die werden mich mit Hunden suchen . glauben, ich hätte ein Bein gebrochen oder so. Und die Hunde werden mich finden, und dann kriegst du lebenslänglich, findest du wirklich, das ist die Sache wert?«
»Die Hunde werden schon auf der Hauptstraße die Spur verlieren, du weißt schon, wegen der vielen Autos. Und ich werde dich von hier wegbringen, ziemlich weit weg. Selbst wenn sie den Weg hierher finden, endet deine Spur hier. Und wenn sie dich doch finden, glaubst du, ich schaffe es bis dahin nicht, mir das Blut abzuwaschen und die Sachen wegzuwerfen, die ich gerade anhabe? Dann gibt es keine Beweise, verstehst du. Genau wie neulich, als ich mit der Mütze mit den drei Löchern unterwegs war oder als ich die Scheiße über dir ausgekippt habe. Du hast mit offenem Mund geschlafen, du liegst beim Schlafen auf dem Rücken. Darum hast du damals auch so viel in den Mund gekriegt. Lecker, stimmt’s? Ich bin sicher, dass du dich immer noch an den Geschmack erinnern kannst, wenn du dich ein bisschen konzentrierst.«
Silverhielm sank mit dem Gesicht zu Boden. Plötzlich sickerte Speichel aus seinem Mund und er beugte sich vor. Er war offenbar kurz vor dem Kotzen.
»Los, Silverhielm, denk dran, wie die Scheiße in deinen Mund geströmt ist, die Scheiße, die ich ganz sorgfältig in eurer Pisse verrührt hatte . in deinen Mund . wie du gehustet und dich verschluckt hast … wie du versucht hast, deinen Mund auszuwischen, wie du dir immer wieder die Zähne geputzt hast und der Scheißegeschmack trotzdem einfach nicht verschwinden wollte .«
Endlich kotzte Silverhielm. Er lag zu Eriks Füßen auf den Knien und seine sämtlichen Innereien schienen sich umzustülpen.
Danach lag er mit dem Gesicht in seinem Erbrochenen, und sein Körper sah aus, als habe er nicht einmal mehr genug Kraft, um den Kopf zu heben. Erik packte seine Haare und zog ihn hoch. Den Ausdruck, den er nun in Silverhielms Augen sah, würde er noch lange mit sich herumtragen.
Es war vollbracht.
»Hier«, sagte Erik und ließ den Siegelring mit der Adelskrone in das Erbrochene fallen.
Dann warf er den Ast weg, drehte sich um und ging.
Nach hundert Metern, dort, wo der Weg eine Biegung machte, hinter der er nicht mehr zu sehen sein würde, schaute er sich um. Silverhielm lag noch genauso da, wie er ihn verlassen hatte.
Der letzte Tag des Schuljahrs brachte einen kurzen Triumph. Die Zeugnisse wurden schon am Morgen verteilt, wenn die Klassenlehrer ihre übliche Predigt voller Tadel und Lob hielten. Als Erik sein Zeugnis in der Hand hatte, drehte er eine Runde und verabschiedete sich von den Lehrern. Der Abschied verlief auf beiden Seiten recht gefühlvoll. Tosse Berg legte ihm die Hände auf die Schultern, ihm standen Tränen in den Augen, und er sagte, Erik müsse hart trainieren, für Tokio.
»Du bist ein Kämpfer, Erik, the whole world loves a fighter, denk daran, dass du jetzt in eine andere Welt hinausgehst, in der kein Rati dir noch etwas tun kann.«
Bei Kranich verlief es fast genauso. »Wir müssen in Kontakt bleiben«, sagte Kranich. »Ich muss doch wissen, was aus dir wird.«
»Machen Sie’s gut, Kranich, und danke für die Note.«
»Dafür brauchst du dich nicht zu bedanken, ihr beide wart wirklich was Besonderes, du weißt schon, du und …«
»Und Pierre?«
»Ja, genau. Grüß ihn ganz herzlich von mir, wenn du ihn mal wiedersiehst.«
Die Taxis fuhren schon im Pendelverkehr zum Bahnhof Solhov, denn nicht alle wurden von ihren Eltern abgeholt. Der ganze Schulhof funkelte und glänzte von großen, meistens
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