Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evil

Evil

Titel: Evil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
Vom Netzwerk:
ihn sein Vater ständig verprügelte. Fast jeden Abend. Auch Eddies Mutter und Schwester mussten einiges einstecken. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie seine Mutter – eine große, sanfte Frau mit groben Bauernhänden – einmal mit einem dick geschwollenen rechten Auge bei meiner Mom in der Küche saß und in den Kaffee weinte.
    In nüchternem Zustand war Mr. Crocker eigentlich ganz nett, meinte mein Vater, aber im Suff wurde er gemein. Das konnte ich nicht beurteilen, doch auf jeden Fall hatte Eddie seinen Jähzorn geerbt, und vor seinen Ausbrüchen war man nie sicher. Wenn er explodierte, griff er nach dem nächsten Stock oder Stein. Zur Not begnügte er sich auch mit seinen bloßen Händen. Wir alle hatten irgendwo Narben, die von Eddie stammten. Auch ich hatte schon öfter eine Abreibung bekommen und versuchte inzwischen, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen.
    Aber Donny und Willie mochten ihn. Das Leben mit Eddie war aufregend, das musste man ihm lassen. Natürlich wussten sie genau, dass Eddie total verrückt war.
    Wenn Eddie dabei war, wurden auch sie unberechenbar.
    »Na gut«, sagte ich. »Ich begleite dich hin, aber ich gehe nicht mit rein.«
    »Ach, komm schon.«
    »Ich hab noch was zu tun.«
    »Was denn?«
    »Was anderes eben.«
    »Willst du vielleicht heimgehen und dir die Perry-Como-Platten von deiner Mutter anhören?«
    Ich schaute ihn an. Er wusste, dass er Blech geredet hatte.
    Wir waren alle Elvis-Fans.
    Er lachte. »Wie du meinst, Kumpel. Warte kurz, bin gleich wieder da.«
    Er ging durch den Flur zu seinem Zimmer. Ich überlegte, wie sie das jetzt machten mit Meg und Susan und wo sie eigentlich alle schliefen. Ich ging zur Couch und nahm mir den Plastic Man. Ich blätterte ein bisschen darin und legte das Heft wieder weg. Dann ging ich durchs Esszimmer, wo Ruths saubere Wäsche zusammengelegt auf dem Tisch lag, in die Küche. Ich öffnete den Kühlschrank. Wie immer gab es Essen für mindestens sechzig Leute.
    »Kann ich mir ein Cola nehmen?«, rief ich in Richtung von Donnys Zimmer.
    »Klar. Mach mir auch eins auf, ja?«
    Ich nahm zwei Flaschen heraus und holte den Öffner aus der rechten Schublade, in der fein säuberlich das Besteck aufgereiht war. Es war mir schon immer komisch vorgekommen, dass Ruth ständig so viel Essen, aber nur Besteck für fünf Leute im Haus hatte. Fünf Teelöffel, fünf Gabeln, fünf Messer, fünf Steakmesser. Suppenlöffel gab es überhaupt nicht. Natürlich hatte Ruth abgesehen von uns nie Besuch. Aber jetzt wohnten hier sechs Leute, und vielleicht musste sie jetzt doch klein beigeben und noch Besteck nachkaufen.
    Ich öffnete die Flaschen. Donny kam gerade herein, und ich drückte ihm eine in die Hand. Er trug Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt. Das T-Shirt lag eng an seinem Bauch, und ich tätschelte ihn leicht.
    »Pass lieber auf, Donald«, sagte ich.
    »Pass doch selbst auf, du Schwuchtel.«
    »Ach, jetzt bin ich auf einmal eine Schwuchtel.«
    »Ein Behinderter bist du.«
    »Ich bin behindert? Dafür bist du eine Vogelscheuche.«
    »Eine Vogelscheuche? Mädchen sind Vogelscheuchen. Mädchen und Schwule. Du bist die Vogelscheuche. Ich bin der Duke of Earl.« Er bekräftigte seine Bemerkung mit einem Schlag auf meinen Arm, den ich sofort erwiderte. Das Ganze führte zu einer kleinen Balgerei.
    Donny und ich waren enge Freunde, soweit das für Jungs in dem Alter überhaupt möglich war.
    Wir nahmen die Hintertür und machten uns vom Garten aus auf den Weg zu Eddies Haus. Es war Ehrensache, den Gehsteig links liegen zu lassen. Wir gingen mitten auf der Straße und schlürften unser Cola. Hier fuhren sowieso nie Autos.
    »Dein Bruder foltert im Steingarten Würmer.«
    Er warf einen Blick über die Schulter. »Ist er nicht ein lieber Kerl?«
    »Also, wie kommst du jetzt so klar?«
    »Mit was?«
    »Dass Meg und ihre Schwester bei euch wohnen.«
    Er zuckte die Achseln. »Weiß nicht. Sie sind ja erst angekommen.« Er nahm einen Schluck und rülpste voller Inbrunst. »Aber Meg ist wirklich Zucker, findest du nicht? Scheiße, und ausgerechnet die muss meine Cousine sein.«
    Ich wollte nichts dazu sagen, obwohl ich seiner Meinung war.
    »Aber eigentlich nur Cousine zweiten Grades, weißt du. Das ist ein großer Unterschied. Vom Blut her oder so. Keine Ahnung. Jedenfalls habe ich sie vorher noch nie gesehen.«
    »Noch nie?«
    »Einmal, sagt Mom. Aber da war ich noch so klein, dass ich mich nicht erinnern kann.«
    »Und wie ist ihre Schwester?«
    »Susan? Die ist nur

Weitere Kostenlose Bücher