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Evil

Evil

Titel: Evil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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ein kleiner Furz. Höchstens zehn oder so.«
    »Woofer ist doch auch erst zehn.«
    »Na und? Woofer ist doch auch ein kleiner Furz.«
    Da konnte ich ihm nicht widersprechen.
    »Aber bei dem Unfall hat es sie ganz schön erwischt.«
    »Susan?«
    Er nickte und deutete auf meine Taille. »Genau. Von da bis unten hat sie sich alles gebrochen, sagt Mom. Jeden einzelnen Knochen. Hüften, Beine, einfach alles.«
    »O Mann.«
    »Sie kann immer noch nicht richtig laufen. Und sie hat so Schienen dran. Diese Metalldinger, du weißt schon, diese Stöcke, die man sich an den Arm schnallt, zum Abstützen beim Gehen. Was die Kinder mit Polio immer haben. Hab vergessen, wie sie heißen. So ähnlich wie Krücken jedenfalls.«
    »Und wird sie wieder gehen können?«
    »Sie kann ja gehen.«
    »Ich meine ganz normal.«
    »Keine Ahnung.«
    Wir tranken unsere Flaschen leer. Wir waren schon fast ganz oben am Hügel. Es war höchste Zeit für mich zu gehen. Wenn nicht, musste ich Eddie ertragen.
    »Sie sind alle zwei gestorben, weißt du«, sagte er.
    Ohne jede Vorwarnung.
    Natürlich war mir klar, von wem er sprach, aber einen Augenblick lang wollte es mir nicht in den Kopf. Nicht sofort. Die Vorstellung war einfach zu unheimlich.
    Eltern starben nicht einfach so. Jedenfalls nicht in meiner Nachbarschaft. Und bestimmt nicht bei einem Autounfall. Solche Sachen passierten woanders, wo es gefährlicher war als in der Laurel Avenue. So was passierte in Filmen und Büchern. Walter Cronkite berichtete darüber in den Nachrichten.
    Laurel Avenue war eine abgelegene Sackgasse, auf der man einfach herumspazieren konnte.
    Aber mir war klar, dass er nicht gelogen hatte. Das war der Grund, warum Meg nicht über den Unfall und die Narben hatte reden wollen.
    Es war die Wahrheit, und sie war schwer zu ertragen.
    Schweigend gingen wir weiter. Ich schaute ihn an, ohne ihn wirklich zu sehen.
    Ich sah nur noch Meg vor mir.
    Es war ein besonderer Augenblick.
    Damals bekam Meg einen ganz eigenen Zauber für mich.
    Es ging nicht mehr nur darum, dass sie hübsch war und klug und mühelos einen Bach überqueren konnte – sie kam mir auf einmal fast unwirklich vor. Nicht wie jemand, der außerhalb von Büchern oder Kinofilmen existierte. Sondern wie eine Erfindung, eine Heldin.
    Ich dachte daran, wie sie neben mir auf dem Felsen gelegen hatte. Ich sah, was für ein tapferer Mensch sie war. Ich sah den Schrecken und das Leiden. Ich sah die Katastrophe, die sie überlebt hatte.
    Die ganze Tragödie.
     
    Alles in diesem einen Augenblick.
    Ich stand mit offenem Mund da, und Donny meinte wohl, dass ich ihn nicht richtig verstanden hatte.
    »Megs Eltern, du Hohlkopf. Alle zwei. Mom sagt, sie müssen auf der Stelle tot gewesen sein. Sie haben gar nicht mitbekommen, mit wem sie da zusammengekracht sind.« Er schnaubte. »Es war ein Chrysler.«
    Vielleicht war es seine geschmacklose Bemerkung, die mich aus meiner Erstarrung riss.
    »Ich habe die Narbe auf ihrem Arm gesehen«, sagte ich.
    »Ja, ich auch. Nicht schlecht, was? Aber du solltest erst mal die von Susan sehen. Sie hat die Narben überall am Körper. Krass. Mom sagt, sie kann froh sein, dass sie überhaupt noch lebt.«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Auf jeden Fall sind sie jetzt bei uns. Sie haben sonst niemanden. Entweder sie bleiben bei uns oder sie müssen ins Waisenhaus.« Er lächelte. »Da haben sie wirklich Glück gehabt, oder?«
    Und dann sagte er etwas, was mir später wieder eingefallen ist. Damals dachte ich nicht weiter darüber nach, aber ich habe es mir gemerkt. Gut gemerkt.
    Er sagte es genau in dem Augenblick, als wir vor Eddies Haus ankamen.
     
    Ich weiß noch, dass ich mitten auf der Straße stand und gerade wieder umkehren wollte, um irgendwo für mich allein zu sein und Eddie aus dem Weg zu gehen – zumindest an diesem Tag.
    Ich sehe Donny noch vor mir, wie er mir auf dem Weg zu Eddies Haustür über die Schulter hinweg seine Worte zuwirft. Beiläufig, aber mit einer merkwürdigen Aufrichtigkeit, als würde er eine tiefe Wahrheit verkünden.
    »Mom sagt, Meg hat noch mal Glück gehabt. Sie ist noch mal gut davongekommen.«
     

4
    Abgesehen von einem flüchtigen Blick hier und da – wenn sie Müll rausbrachte oder Unkraut jätete – bekam ich sie erst eineinhalb Wochen später wieder zu Gesicht. Jetzt, da ich die ganze Geschichte kannte, wusste ich gar nicht mehr, wie ich sie ansprechen sollte. Ich hatte noch nie Mitleid mit jemandem gehabt. Ich überlegte, was ich zu ihr sagen sollte, aber

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