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Evil

Evil

Titel: Evil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Zinseszins.
    Bezahl sie in der Hölle.
     

3
    Schon früh am nächsten Tag ging ich nach nebenan.
    Ich weiß noch, dass ich nervös war, fast ein wenig verlegen. Eigentlich ziemlich ungewöhnlich, weil es die natürlichste Sache von der Welt war nachzusehen, was bei den Chandlers los war.
    Was man an einem Sommermorgen eben so machte. Man stand auf, frühstückte und ging dann nach draußen, um die anderen zu suchen.
    Und die erste Station war normalerweise das Nachbarhaus.
     
    Damals war die Laurel Avenue noch eine Sackgasse, der einzige schmale Einschnitt in dem kleinen Waldstück, das südlich an die West Maple grenzte und sich dahinter ein, zwei Kilometer weit hinzog. Als man Anfang des 19. Jahrhunderts die Schneise durch den Wald geschlagen hatte, stand das Unterholz so dicht, dass der Weg den Namen »dunkle Gasse« bekam. Das Unterholz war inzwischen verschwunden, aber es war noch immer eine ruhige, abgelegene Straße. Überall schattenspendende Bäume, alle Häuser verschieden gebaut und nicht so nah beieinander, wie man es woanders manchmal sah.
    In der Straße gab es damals dreizehn Häuser. Das von Ruth, unseres und fünf weitere auf der einen, sechs hangabwärts auf der gegenüberliegenden Seite.
    Bis auf die Zorns hatte jede Familie Kinder. Und wir kannten uns alle so gut wie Geschwister. Wenn man Gesellschaft wollte, musste man einfach nur runter zum Bach, in den Holzapfelhain oder in irgendeinen Garten gehen. Dorthin halt, wo gerade das größte Plastikschwimmbecken oder die Zielscheibe fürs Bogenschießen stand.
    Und wenn man sich mal verdrücken wollte, war das auch kein Problem. Der Wald war tief.
    Die Sackgassenkinder nannten wir uns.
    Wir waren eine verschworene Gemeinschaft mit eigenen Regeln, Geschichten und Geheimnissen. Wir hatten eine Hackordnung, an die wir uns streng hielten. Das war ganz normal für uns.
    Doch jetzt war jemand Neues dazugekommen. Bei Ruth war jemand eingezogen.
    Es war ein komisches Gefühl.
    Vor allem, weil es sich um jemand ganz Bestimmten handelte.
    Vor allem, weil es das Haus von Ruth war.
    Es war wirklich verdammt komisch.
     
    Im Steingarten kniete Ralphie am Boden. Es war vielleicht acht Uhr, aber er war schon von oben bis unten vollgesaut. Überall im Gesicht, auf den Armen und Beinen hatte er Streifen aus Schweiß und Schmutz, als wäre er den ganzen Morgen herumgelaufen und öfter in den Dreck gefallen. Ziemlich oft hingefallen. Was gar nicht so unwahrscheinlich war, wenn man Ralphie kannte. Ralphie war zehn Jahre alt, und ich glaube, ich hatte ihn noch nie länger als eine Viertelstunde sauber erlebt. Auch seine kurze Hose und sein T-Shirt waren verschmiert. »Hallo Woofer.«
    Niemand außer Ruth nannte ihn Ralphie. Für uns war er nur Woofer, denn wenn er wollte, konnte er besser bellen als Mitsy, der Basset der Robertsons.
    »Hi Dave.«
    Er war damit beschäftigt, Steine hochzuheben, und sah zu, wie die aufgeschreckten Kartoffelkäfer und Tausendfüßler flüchteten. Aber die interessierten ihn nicht. Einen Stein nach dem anderen hob er hoch und ließ ihn wieder fallen. Neben sich hatte er eine alte Libby's-Dose, die er immer mitschob, wenn er auf seinen verschorften Knien zum nächsten Stein rutschte.
    »Was ist denn da drin?«
    »Regenwürmer.« Woofer hatte noch kein einziges Mal zu mir aufgeschaut. Konzentriert runzelte er die Stirn und bewegte sich mit der für ihn typischen fahrigen Energie. Wie ein Wissenschaftler, der kurz vor einer fantastischen Entdeckung steht und jetzt auf keinen Fall gestört werden will.
    Wieder nahm er einen Stein weg.
    »Ist Donny da?«
    »Jou.« Er nickte.
    Das bedeutete, dass Donny im Haus war. Da ich immer noch ein bisschen nervös war, ging ich nicht sofort hinein, sondern blieb noch eine Weile bei Woofer. Er kippte einen großen Stein und fand anscheinend, was er gesucht hatte: rote Ameisen.
    Es wimmelte nur so von ihnen. Hunderte, Tausende, aufgescheucht vom grellen Licht.
    Für Ameisen hatte ich noch nie was übrig. Wir kochten immer Wasser in Töpfen und verbrühten sie damit, wenn sie wieder mal der Meinung waren, dass sie unbedingt die Eingangstreppe zu unserem Haus hinaufkrabbeln mussten – was sie aus irgendeinem Grund jeden Sommer versuchten. Die Idee stammte von meinem Vater, aber ich stand voll dahinter. Meiner Ansicht nach hatten Ameisen nichts anderes verdient als kochendes Wasser.
    Ihr stechender Jodgeruch vermischte sich mit dem Duft von feuchter Erde und frisch gemähtem Gras.
    Woofer schob den Stein

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