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Evil

Evil

Titel: Evil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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ging zu ihr.
    Sie grub.
    Sie kratzte mit den Fingern am Betonboden, wo er mit der Wand zusammentraf. Um sich hinauszugraben. Sie gab leise Laute der Anstrengung von sich. Ihre Fingernägel waren zerbrochen und bluteten, einer fehlte schon ganz, auch ihre Fingerspitzen waren wund, und ihr Blut vermischte sich mit den Kieskrümeln, die sie aus dem abbröckelnden Beton gebohrt hatte. Es war ihre letzte Weigerung, sich zu unterwerfen. Ihr letzter Akt der Auflehnung. Der Wille, der sich über den besiegten Körper erhoben hatte, um sich gegen nackten Stein zu wenden.
    Der Stein war Ruth. Er war undurchdringlich und ließ sich nur Kies und Sand abringen.
    Ruth war der Stein.
    »Meg, hör bitte auf. Komm.«
    Ich schob ihr die Hände unter die Arme und hob sie hoch. Sie war so leicht wie ein kleines Kind.
    Ihr Körper fühlte sich warm an und voller Leben.
    Ich legte sie wieder auf die Matratze und deckte sie zu. Susan gab mir den Eimer, und ich wischte ihr die Fingerspitzen ab. Das Wasser wurde noch röter.
    Dann begann ich zu weinen.
    Ich wollte nicht weinen, weil Susan da war, doch ich konnte die Tränen nicht mehr halten. Sie kamen einfach und flossen auf den Beton wie Megs Blut.
    Ihre Wärme war nur Fieber. Ihre Wärme war eine Lüge.
    Der Tod war jetzt fast zu riechen.
    Ich hatte ihn in der vergrößerten Pupille gesehen, in diesem schwarzen Loch, das ein Bewusstsein verschlingen konnte.
    Ich tupfte ihr die Finger ab.
    Als ich fertig war, versetzte ich Susan, damit Meg zwischen uns liegen konnte. Still lagen wir zusammen und beobachteten ihren flachen Atem, und jeder Atemzug, der durch ihre Lunge strömte, band die Momente zusammen, gewährte uns einen Aufschub von einigen Sekunden, und das Flackern ihrer halb offenen Augenlider verriet uns, dass unter der zerschlagenen Oberfläche noch Leben pochte. Es erschreckte uns nicht, als sie die Augen aufschlug. Wir waren glücklich, dass uns Meg anschaute, die alte Meg, die in der gleichen Zeit gelebt hatte wie wir, und nicht in einem Fiebertraum.
    Sie bewegte die Lippen. Dann lächelte sie.
    »Ich glaube, ich schaffe es.« Sie griff nach Susans Hand. »Ich glaube, ich werde wieder gesund.«
     
    Sie starb unter dem grellen, künstlichen Licht der Arbeitslampe, in einer Morgendämmerung, die für uns keine war.
     

46
    Ungefähr eineinhalb Stunden später kam das Klopfen an der Tür.
    Ich hörte, wie sie aus ihren Betten aufstanden. Ich hörte männliche Stimmen und schwere, unbekannte Schritte vom Wohnzimmer ins Esszimmer und dann auf der Treppe.
    Sie schoben den Riegel zurück und öffneten die Tür. Jennings war da, zusammen mit meinem Vater und einem anderen Polizisten namens Thompson, den wir vom Veteranentreffen kannten. Hinter ihnen standen Donny, Willie, Woofer und Ruth, ohne einen Versuch zu machen, zu fliehen oder etwas zu erklären. Sie schauten nur zu, während Jennings zu Meg ging, ein Augenlid hochschob und nach dem Puls tastete, der nicht mehr da war.
    Mein Vater kam herüber und legte den Arm um mich. Er schüttelte den Kopf. »Gott sei Dank haben wir dich gefunden. Gott sei Dank.« Ich glaube, solche Worte hatte ich noch nie von ihm gehört, aber sie kamen von ganzem Herzen.
    Jennings zog Meg die Decke über den Kopf, und Officer Thompson versuchte Susan zu trösten, die von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Seit Meg gestorben war, war sie still gewesen, doch jetzt brachen die Erleichterung und Trauer aus ihr hervor.
    Ruth und die anderen starrten teilnahmslos.
    Jennings, bei dem Meg am vierten Juli Schutz gesucht hatte vor Ruth, sah aus, als wollte er gleich jemanden erwürgen.
    Er hatte kaum mehr seine Stimme in der Gewalt, als er mit rotem Gesicht Fragen abfeuerte. Es war ihm deutlich anzumerken, dass er viel lieber mit der Pistole an seiner Hüfte gefeuert hätte, die er immer wieder mit der Hand streifte. Wie ist das passiert? Und das hier? Wie lang war sie schon hier unten? Wer hat ihr das in den Bauch gestanzt?
    Eine Weile blieb Ruth stumm. Sie stand nur da und kratzte an den wunden Stellen in ihrem Gesicht. Dann sagte sie: »Ich will einen Anwalt.«
    Jennings tat, als hätte er sie nicht gehört. Er stellte weiter Fragen, doch sie wiederholte nur immer, dass sie einen Anwalt wollte. Offensichtlich hatte sie vor, von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch zu machen.
    Jennings wurde immer wütender. Doch das half ihm nichts. Das hätte ich ihm gleich sagen können.
    Ruth war der Stein.
    Und ihre Kinder folgten ihrem Beispiel.
    Aber ich nicht. Ich

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