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Evil

Evil

Titel: Evil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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und bemerkte, dass eine ihrer Pupillen eineinhalb Mal so groß war wie die andere – und ich fragte mich, was sie sah.
    »Hörst du sie?«, flüsterte sie. »Ist sie … da?«
    »Ich höre nur das Radio. Aber sie ist da.«
    »Das Radio, ja.« Sie nickte langsam.
    »Manchmal höre ich sie. Den ganzen Tag. Auch Willie und Woofer … und Donny. Lange habe ich gemeint, dass ich etwas erfahre, wenn ich ihnen genau zuhöre. Dass ich herausfinde, warum sie mich so behandelt, wenn ich hinhöre, wie sie durchs Zimmer geht oder in ihrem Sessel sitzt. Aber ich … habe nie was herausgefunden.«
    »Meg, hör zu. Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt nicht redest. Du bist ziemlich schwer verletzt.«
    Es war anstrengend für sie, das merkte man. Ihre Worte klangen undeutlich, als hätte ihre Zunge auf einmal nicht mehr die richtige Größe.
    »Mm-mm. Nein, ich will reden. Ich kann doch nie reden. Ich habe nie jemanden, mit dem ich reden kann. Aber …?«
    Sie schaute mich merkwürdig an. »Wieso bist du eigentlich hier?«
    »Wir sind beide da. Ich und Susan. Sie haben uns eingesperrt. Erinnerst du dich nicht mehr?«
    Sie versuchte ein Lächeln.
    »Ich dachte schon, dass du vielleicht eine Phantasie bist. Ich glaube, das warst du auch schon öfter für mich. Ich habe viele … viele Phantasien. Sie kommen, und dann … verschwinden sie wieder. Und manchmal will ich auch, dass eine kommt, ich will es ganz fest, aber es kommt keine. Ich kann an nichts mehr denken. Und später dann … kommt doch eine.
    Ich hab sie angebettelt, weißt du. Dass sie damit aufhört. Dass sie mich gehen lässt. Ich hab mir gedacht, es muss so sein, sie macht es eine Zeit lang, und dann lässt sie mich gehen, sie wird einsehen, dass es keinen Grund gibt, mich zu hassen. Und dann habe ich gedacht, nein, sie hört nicht auf damit, ich muss hier raus, aber ich kann nicht, ich verstehe sie einfach nicht, wie hat sie zulassen können, dass er mich mit dem Eisen verbrennt ?«
    »Bitte, Meg …«
    Sie leckte sich über die Lippen. Dann lächelte sie.
    »Aber jetzt bist du da und passt auf mich auf.«
    »Ja.«
    »Und Susan.«
    »Ja.«
    »Wo ist sie?«
    »Sie schläft.«
    »Für sie ist es auch schwer.«
    »Ja, ich weiß. Sehr schwer.«
    Ich war beunruhigt. Ihre Stimme wurde schwächer. Ich musste mich jetzt nah zu ihr beugen, um sie noch zu hören.
    »Tust du mir einen Gefallen?«
    »Klar.«
    Sie packte meine Hand. Ihr Griff war stark.
    »Bringst du mir den Ring? Du weißt schon, den Ring von meiner Mutter. Auf mich hört sie nicht. Es ist ihr egal. Aber vielleicht … Kannst du sie darum bitten? Kannst du mir meinen Ring wiederbringen?«
    »Ich bringe ihn dir.«
    »Versprochen?«
    »Ja.«
    Sie ließ mich los.
    »Danke.«
    Kurz darauf fing sie wieder zu sprechen an. »Weißt du was? Ich habe meine Mutter nie genug geliebt. Ist das nicht merkwürdig? Und du?«
    »Wahrscheinlich auch nicht.«
    Sie schloss die Augen.
    »Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen.«
    »Klar, ruh dich aus.«
    »Irgendwie komisch. Mir tut nichts weh. Eigentlich müsste es doch wehtun. Sie haben mich überall verbrannt, aber ich hab keine Schmerzen.«
    »Ruh dich jetzt aus.«
    Sie nickte. Und dann wurde sie still. Ich saß da und sehnte das Klopfen von Officer Jennings herbei, während durch meinen Kopf Worte wirbelten wie ein grell bemaltes Karussell, der Text zu »Green Door«, immer wieder im Kreis … midnight, one more night without sleepin', watchin' till the morning comes creepin', green door, what's that secret you're keepin'? Green door?
    Irgendwann schlief ich ein.
     
    Als ich aufwachte, war wahrscheinlich früher Morgen.
    Susan schüttelte mich.
    »Halt sie auf!« Ein verschrecktes Flüstern drang an mein Ohr. »Halt sie auf! Bitte! Sie darf das nicht machen!«
    Einen Moment dachte ich, ich sei zu Hause im Bett.
    Ich schaute mich um, und dann fiel mir alles wieder ein.
    Meg lag nicht mehr neben mir.
    Mein Herz begann wie wild zu klopfen, und mir schnürte sich die Kehle zusammen.
    Dann sah ich sie.
    Sie hatte die Decke abgeworfen und saß nackt und zusammengekauert drüben in der Ecke beim Arbeitstisch. Das lange, verfilzte Haar hing ihr über die Schultern. Ihr Rücken war übersät mit dunklen, braunen Flecken und kreuz und quer eingetrockneten Blutfäden. Ihr Hinterkopf schimmerte feucht im Licht der Arbeitslampe.
    An ihren Schultern und neben ihrem schön geschwungenen Rückgrat spannten sich die Muskeln an. Ich hörte das Scharren von Fingernägeln.
    Ich stand auf und

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